Wenige Tage nachdem der Gesetzesentwurf erneut in das ugandische Parlament eingebracht wurde, wurde bei einem Workshop in der Nähe der Hauptstadt Kampala, an dem verschiedene LGBT-Aktivist_innen teilnahmen, in Begleitung des Ministers für Ethik und Integrität eine Razzia von der Polizei durchgeführt. Die Teilnehmer_innen wurden aufgefordert, den Veranstaltungsort zu verlassen. Anderenfalls würden sie gewaltsam entfernt werden. Amnesty International bezeichnete die Razzia als ungerechtfertigte Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Versammlungsrechts und rief die Regierung auf, die Schikane gegen die rechtmäßig handelnden Menschenrechtsverteidiger_innen zu beenden. Berichten zufolge gab es zudem den Versuch die LGBT-Menschenrechtsaktivistin Kasha Jacqueline Nabagasera zu verhaften. Kasha Jacqueline Nabagasera konnte fliehen. 2011 hatte sie den Martin Ennals Menschenrechtspreis für ihr Engagement für die Rechte von LGBT in Uganda erhalten. LGBT-Aktivist_innen haben inzwischen Anzeige gegen den Minister wegen der gewaltsamen Auflösung ihrer Veranstaltung erstattet.
Erstmalig war der Gesetzentwurf im Oktober 2009 in das Parlament eingebracht worden und sorgte damals sowohl in Uganda als auch international für große Debatten. Von Seiten ugandischer und internationaler Menschenrechtsaktivist_innen wurde dabei besonders angeprangert, dass für „schwere homosexuelle Handlungen“ die Todesstrafe vorgesehen ist. Bereits jetzt sind einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts nach dem ugandischen Gesetz strafbar. Der Entwurf sieht außerdem vor, die Strafen für homosexuelle Handlungen bis hin zu lebenslänglicher Haftstrafe zu erhöhen und auch die „Unterstützung und Förderung“ von Homosexualität unter Strafe zu stellen. Amnesty International erklärte, der Gesetzentwurf verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und würde bei Inkrafttreten das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken, das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person, das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf höchstmögliche Gesundheit und das Recht auf Leben verletzen.
Internationale Politiker_innen meldeten sich zu Wort und verurteilten den Entwurf. Geberländer übten durch die Androhung, Mittel für Uganda zu kürzen oder einzufrieren, Druck auf die ugandische Regierung aus. Der Gesetzentwurf wurde im parlamentarischen Rechtsausschuss diskutiert und ein Bericht wurde fertiggestellt. Der Entwurf wurde bis zur Auflösung des Parlaments im Mai 2011 nicht zur Abstimmung gebracht. Inzwischen tagt das neu vereidigte Parlament. Da der Bericht des Ausschusses bereits vorliegt, könnte das Gesetz innerhalb weniger Tage diskutiert und abgestimmt werden.
Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Diskussion über den Entwurf zum „Anti-Homosexualitätsgesetz“ hat sich in Uganda unter der Leitung von LGBT-Aktivist_innen eine Koalition von inzwischen 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen gebildet, die politisch gegen den Entwurf kämpft und auf gesellschaftlicher Ebene Aufklärungsarbeit über die Auswirkungen eines solchen Gesetzes betreibt. Die Koalition erhielt im Mai 2012 den Menschenrechtspreis des Auswärtigen Amtes der USA für ihren Einsatz für die Rechte von Homosexuellen in Uganda.
Die Meinungen zwischen Befürwortern und Gegners des Gesetzentwurfes gehen weit auseinander, die gesamte Thematik wird mit großer Emotionalität behandelt. Politiker_innen und religiöse Führer melden sich zu Wort, die Medien berichten ausführlich über das Thema. Immer wieder gibt es Übergriffe auf (vermeintliche) Lesben, Schwule oder Transgender. Es finden sich nur wenige Stimmen, die die Rechte von LGBT öffentlich unterstützen. So sprach sich beispielsweise der Ugandische Verband der Rechtsanwälte gegen den Gesetzentwurf aus, da er gegen geltendes Recht verstoßen würde. Unterschiedlich äußern sich immer wieder verschiedene ugandische Parlamentarier zum Gesetzentwurf. Einige unterstützen den Vorschlag offen, andere distanzieren sich davon. Der ugandische Vizepräsident erklärte beim Besuch einer britischen Ministerin, der Aspekt der Todesstrafe werde entfernt werden, wenn der Entwurf das Parlament passiert hätte und das Gesetz verabschiedet werde.
Die LGBT-Aktivist_innen in Uganda lassen sich trotz aller Widrigkeiten nicht entmutigen und kämpfen weiter gegen den Gesetzentwurf. Amnesty International reagierte mit einer Eilaktion auf das erneute Einbringen des Gesetzentwurfes ins Parlament.
Claudia Koerner