In einem Brief vom 23. Februar forderte die Organisation Samir Dilou auf, den Minister für Menschenrechte und Übergangsjustiz, seine Bemerkungen vom 4. Februar zurückzuziehen, in denen er sagte, dass Homosexualität kein Menschenrecht sondern eine Perversion sei, die medizinisch behandelt gehöre.
In seinen Ausführungen zu Fragen bezüglich einer neuen Homosexuellen-Zeitschrift in Tunesien, sagte Samir Dilou auch, dass „die freie Meinungsäußerung Grenzen habe. Sie [schwule, lesbische und bisexuelle Menschen] müssen die Grenzen respektieren, die durch unsere Kultur, Religion und Erbe definiert sind“.
„Diese Bemerkungen sind extrem enttäuschend, v.a. da sie von eben der Person stammen, die sicherstellen sollte, dass die Menschenrechte aller Tunesier geschützt sind“, sagte Hassiba Hadj Sahraoui, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
„Das sind nicht nur Worte. Die stillschweigende Hinnahme von Diskriminierung auf Grundlage der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ist ein Blanko-Scheck für die schwersten Menschenrechtsverletzungen.“
„Der Minister muss seine Äußerungen zurückziehen und sich für die Verteidigung der Menschenrechte von allen Tunesiern aussprechen.
In seinem Brief zeigt Amnesty International auf, dass Homosexualität schon seit Jahren nicht mehr als Krankheit oder „Perversion“ von den internationalen medizinischen Organisationen und Vereinigungen angesehen wird.
Die Weltgesundheitsorganisation entfernte „Homosexualität“ offiziell 1990 von ihrer Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme, während das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen Homosexualität 1973 entfernte.
Studien haben gezeigt, dass homophobe Kommentare von Führern und Regierungen einen Trickle-Down Effekt haben, und Menschen dazu ermutigen können, es für zulässig zu halten, lesbische, schwule, bisexuelle und Trans*- Menschen zu diskriminieren, einzuschüchtern und zum Angriffsziel zu machen.
Die Organisation sagte, dass dies seitens der neuen tunesischen politischen Elite die letzte einer Vielzahl von Bemerkungen in den vergangenen Monaten war, die Menschenrechte unterminierten.
Am 23. Januar hielt Sadok Chourou, ein Parlamentsabgeordneter von der Ennahda Partei – die die meisten Sitzen in der Nationalen Verfassungsgebenden Versammlung hat – im Parlament eine Rede, in der er die Gewaltanwendung gegen Protestierende rechtfertigte. Er argumentierte, dass der religiöse Text es erlaube, dass diejenigen, die „die Erde verderben“ getötet, gekreuzigt werden oder dass ihnen ihre Hände und Füße abgeschnitten werden dürften.
Am 9. November des letzten Jahres sagte Suad Abderrahim, ebenfalls Parlamentsangehöriger von der Ennahda Partei, in einem Radiointerview, dass alleinerziehende Mütter nicht vom Staat unterstützt werden sollten, da ihr Verhalten nicht mit der tunesischen Kultur übereinstimme und nicht ermutigt werden solle.
Der Brief kommt zu einem Zeitpunkt, da die tunesischen Obrigkeiten mit zunehmendem Druck konfrontiert sind, in punkto Menschenrechten Führungsstärke zu zeigen.
Mitte Februar verursachte der Besuch von Wajdi Ghoneim, einem führenden ägyptischen Geistlichen, der bekannt ist für seine Unterstützung der weiblichen Genitalverstümmelung, eine breite Kontroverse und veranlasste das tunesische Ministerium für Frauen dazu, die Praktik öffentlich zu verurteilen.
„Wir begrüßen die Tatsache, dass ein Minister sich nachdrücklich gegen die Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung ausgesprochen hat,“ sagte Hassiba Hadj Sahraoui. „ Allerdings werden solche Äußerungen von anderen zunichte gemacht, die Menschenrechtsverletzungen stillschweigend dulden.“
„Indem sie eine solche Sprache und einen solchen Ton nutzen, um gefährdete und marginalisierte Gruppen und Protester zu beschreiben, unterminieren Mitglieder der tunesischen politischen Elite Menschenrechte und bereiten effektiv den Weg für Missbrauch vor.
„Die tunesischen Obrigkeiten müssen wahre Führungsstärke beweisen anstatt lediglich ein Lippenbekenntnis für die Menschenrechte abzugeben.