AMNESTY INTERNATIONAL
"Dies ist eine historische Chance für Japan, der Welt die Botschaft zu senden, dass Diskriminierung in diesem Land keinen Platz hat. Der einzige Weg, dies zu erreichen, ist, dass Diskriminierung durch dieses Gesetz ausdrücklich verboten wird. Alles andere würde den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der japanischen Regierung zu vollem und gleichem Schutz für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) nicht gerecht werden.
Dieser Gesetzentwurf darf nicht auf Eis gelegt werden. Mit dem Herannahen der Olympischen Spiele kann die Regierung eine rechtzeitige Entscheidung treffen, um sich für Gleichheit und Inklusion für alle einzusetzen. Dies entspräche nicht nur dem Geist der Olympischen Spiele, sondern würde auch die lang ersehnten Wünsche von LGBTI-Personen, ihren Familien und Verbündeten sowie all jenen erfüllen, denen Gleichheit und Gerechtigkeit im Land wichtig sind.
Dieses Gesetz sollte mehr tun, als nur das Bewusstsein für LGBTI-Diskriminierung in Japan zu schärfen. Es muss wirklich und umfassend klare Regeln aufstellen, um Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität zu verbieten und gleichzeitig ein effektives Wiedergutmachungssystem für Opfer von Diskriminierung zu etablieren.
Mit dieser Gesetzgebung kann die japanische Regierung den ersten Schritt machen, um eine Politik zu entwickeln, die das tief verwurzelte soziale Stigma und die Diskriminierung angeht, mit der LGBTI-Menschen im Land täglich konfrontiert sind."
Hintergrund
Die Diskussionen über die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes in Japan ziehen sich schon seit Jahren hin. Während die Oppositionsparteien 2016 einen Gesetzesentwurf zur Beseitigung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität vorlegten, präsentierte die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) einen Gesetzesentwurf, der lediglich auf die Förderung einer toleranten Gesellschaft abzielt.
Viele japanische LGBTI-Rechtsorganisationen, darunter die Japan Alliance for LGBT Legislation (J-ALL), kritisierten den Gesetzesentwurf der LDP, weil er keine Erwähnung des Verbots der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität enthält.
Nach intensiven Verhandlungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien wurde im Mai 2021 die Aussage "Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität ist inakzeptabel" in den von der LDP entworfenen Gesetzentwurf aufgenommen.
Während des internen Prozesses der LDP zur Verabschiedung des parteiübergreifenden Gesetzesentwurfs haben jedoch einige konservative LDP-Abgeordnete Bedenken über die hinzugefügte Aussage geäußert und gesagt, dass sie "Verwirrung stiften könnte, indem sie die Anzahl der Gerichtsverhandlungen aufgrund von Diskriminierung erhöht". Während der Diskussionen auf der LDP-Sitzung wurden viele diskriminierende Bemerkungen gemacht, einschließlich der Aussage eines Abgeordneten, dass LGBTI zu sein "gegen die Erhaltung der Arten geht".
Inmitten eines öffentlichen Aufschreis über die diskriminierenden Äußerungen kündigte ein Vorstandsmitglied diese Woche an, dass die LDP den parteiübergreifenden Gesetzesentwurf nicht bei Japans „National Diet“, der Legislative des Landes, einreichen werde.
Daher steht die Einreichung des Gesetzentwurfs noch zur Debatte. Amnesty International fordert die LDP auf, den Gesetzentwurf zügig einzureichen und das Verbot von LGBTI-Diskriminierung in die Gesetzgebung aufzunehmen.
Japan ist Gastgeber der Olympischen und Paralympischen Spiele, die im Juli 2021 beginnen. Im Januar 2021 schickten mehr als hundert LGBTI-Rechtsorganisationen in Japan einen Brief an den japanischen Premierminister, in welchem sie die Regierung aufforderten, ein Antidiskriminierungsgesetz zu erlassen, das dem in der Olympischen Charta verankerten Verbot von "Diskriminierung jeglicher Art" entspricht, einschließlich des Verbots von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung als "Grundprinzip des Olympismus".
Japan hat auch zentrale internationale Menschenrechtsverträge ratifiziert, darunter den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Beide Verträge verpflichten die Regierung, den Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten.
Im März 2021 fällte ein lokales Gericht in Japan das erste Gerichtsurteil, dass die Nichtanerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Regierung verfassungswidrig ist. Die Entscheidung soll den Weg für die Gleichstellung der Ehe in Japan ebnen. Bislang haben 102 Gemeinden und drei Präfekturen ein System zur Registrierung von Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare eingerichtet.