Abgeordnete treffen sich während einer Sitzung des Parlaments in Accra, Ghana, 16. Juni 2006 © by World Bank Photo Collection is licensed with CC BY-NC-ND 2.0. To view a copy of this license, visit https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/
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Meldungen | Ghana : GHANA: ANTI-LGBTI GESETZ SCHÜRT HASS, VERFOLGUNG UND DISKRIMINIERUNG

Das ghanaische Parlament und die Regierung sollten das vorgeschlagene Gesetz zur Förderung der angemessenen sexuellen Menschenrechte und ghanaischen Familienwerte 2021 (Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill 2021) aus der Prüfung zurückziehen. Dieser Gesetzentwurf verstößt schwerwiegend gegen die Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Privatsphäre und das Verbot der Folter, das in der ghanaischen Verfassung von 1992 und in den vom Land ratifizierten internationalen Menschenrechtsverträgen verankert sind. Insbesondere wird LGBTI-Personen ihre unantastbare Menschenwürde vorenthalten, die in Abschnitt 15 der ghanaischen Verfassung für alle Menschen garantiert wird.

Nach der ersten Lesung am 2. August wird das ghanaische Parlament den Gesetzentwurf voraussichtlich im Oktober 2021 zur Verabschiedung vorlegen, und zwar vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Diskriminierung, Intoleranz und Kriminalisierung von LGBTI-Personen. Nach dem ghanaischen Strafgesetzbuch werden einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen kriminalisiert. LGBTI-Menschen sind außerdem Hassreden und Drohungen ausgesetzt und leben in einem Klima der Angst, Feindseligkeit und Intoleranz1.

Der Gesetzentwurf ermutigt zu Hass und Intoleranz und fördert die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, nur weil sie den vorherrschenden sozialen und geschlechtsspezifischen Normen nicht entsprechen oder nicht entsprechen können. Im Falle der Verabschiedung des Gesetzes sollen Einschränkungen und strafrechtliche Sanktionen gegen eine Reihe von Personen verhängt werden, darunter auch LGBTI-Personen und alle, die ihre Unterstützung oder Sympathie für LGBTI-Personen zum Ausdruck bringen. Darüber hinaus wird jeder in Ghana verpflichtet, jegliches Verhalten, das als „LGBTI-nah“ wahrgenommen wird, bei der Polizei oder in Abwesenheit der Polizei bei einer Liste von Personen aus der Gemeinschaft zu melden.

Das vorgeschlagene Gesetz sieht eine Strafe von bis zu fünf Jahren Haft vor, wenn man LGBTI ist, und eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft für jeden, der sich "an einer Aktivität beteiligt, die Sympathie für eine nach dem Gesetzentwurf verbotene Handlung oder eine Änderung der öffentlichen Meinung in diese Richtung fördert oder unterstützt". Diese vage und zu weit gefasste Bestimmung birgt die Gefahr, dass jeder in Ghana aufgrund des Gesetzes angeklagt werden kann, und schafft ein Umfeld der Feindseligkeit, Diskriminierung und aktiven Stigmatisierung von Menschen, die LGBTI sind oder als solche wahrgenommen werden, oder von Personen, die mit ihnen sozial, familiär, beruflich oder anderweitig verbunden sind.

Menschenrechtsverteidiger*innen oder Personen, die Mitglied, Unterstützer*in oder Aktivist*in in einer Organisation sind, die sich für die Rechte von LGBTI-Personen einsetzt, können mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft werden. Der Gesetzentwurf stellt auch die Herstellung und Verbreitung von so genannter LGBTI-"Propaganda" unter Strafe, die zwischen 5 und 10 Jahren Haft liegen kann.

Diese Bestimmungen stellen einen klaren Verstoß gegen die ghanaische Verfassung dar, die das Recht aller Menschen auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung schützt. Sie widersprechen auch der Resolution der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker aus dem Jahr 2014, die die Vertragsstaaten auffordert, "sicherzustellen, dass Menschenrechtsverteidiger*innen in einem günstigen Umfeld arbeiten, das frei von Stigmatisierung, Repressalien oder strafrechtlicher Verfolgung aufgrund ihrer Aktivitäten zum Schutz der Menschenrechte ist. Dies umschließt auch das Engagement für die Rechte von sexuellen Minderheiten2“.

Der Gesetzentwurf fördert zutiefst schädliche Praktiken wie medizinische Eingriffe an intersexuellen Kindern, um dem Kind eine "angemessene binäre Bezeichnung" zu geben. Diese nicht notfallmäßigen Operationen und medizinischen Eingriffe verletzen die Menschenrechte der Kinder, einschließlich des Rechts auf ein Privatleben und das Recht auf den höchstmöglichen Gesundheitsstandard. Amnesty International fordert die Regierung Ghanas auf, sicherzustellen, dass kein Kind einer nicht dringend notwendigen, invasiven und irreversiblen Behandlung unterworfen wird.

Der Gesetzentwurf fördert auch die Konversionstherapie, eine sehr gefährliche Praxis, die den Betroffenen großes Leid und Schaden zufügt und Folter oder grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellen kann und damit die internationale Verantwortung Ghanas aufzeigt3.

Der Gesetzentwurf schränkt den Zugang von Transgender-Personen zu geschlechtsangleichenden Behandlungen ein und verletzt damit ihr Recht auf das höchstmögliche Maß an Gesundheit, das durch internationale Menschenrechtsnormen, einschließlich des UN-Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR, Artikel 12) geschützt ist4.

Sollte der Gesetzentwurf in Kraft treten, drohen medizinischen Fachkräften außerdem strafrechtliche Sanktionen, nämlich zwischen drei bis fünf Jahre Haft für die Erbringung medizinischer Versorgung im Verfahren zur Geschlechtsangleichung. Dies ist besorgniserregend, weil es Transgender-Personen den Zugang zu der geschlechtsangleichenden Behandlung durch medizinisches Fachpersonal verwährt.

Laut einer Gruppe von Expert*innen der UN-Sonderverfahren, die eine gemeinsame Analyse des Gesetzentwurfs vorgenommen haben, beschreibt dieser "ein System staatlich geförderter Diskriminierung und Gewalt von solchem Ausmaß, dass seine Annahme (...) einen unmittelbaren und grundlegenden Verstoß gegen die Verpflichtungen des Staates nach den internationalen Menschenrechtsgesetzen5" wäre.

Amnesty International fordert das Parlament und die Regierung Ghanas auf, den Gesetzesentwurf von der Prüfung zurückzuziehen. Zu einer Zeit, in der andere Länder auf der Welt, darunter Angola und Gabun, diskriminierende Gesetze aufheben, die Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung diskriminieren, darf Ghana nicht in die entgegengesetzte Richtung gehen. Die ghanaischen Behörden sind aufgefordert, die Gleichheit und Nichtdiskriminierung sowie andere grundlegende Menschenrechte aller Menschen in Ghana zu schützen.

1 Ghana: Authorities must end discrimination against LGBTI people and LGBTI rights activists, AFR 28/3768/2021 www.amnesty.org/en/documents/afr28/3768/2021/en/

2 African Commission on Human and Peoples’ Rights, Resolution 275(LV)2014 on protection against violence and other human rights violations against persons on the basis of their real or imputed sexual orientation or gender identity, 12 May 2014, www.achpr.org/sessions/resolutions

3 The Independent Expert on protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity has recommended that States ‘ban the practices of “conversion therapy”’ and ‘take urgent measures to protect children and young people from practices of “conversion therapy”. Practices of so-called “conversion therapy”. Report of the Independent Expert on protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity undocs.org/A/HRC/44/53.

4 The Committee on Economic, Social and Cultural Rights, which monitors the implementation of the CESCR, has stated: “The right to health contains both freedoms and entitlements. The freedoms include the right to control one’s health and body, including sexual and reproductive freedom, and the right to be free from interference, such as the right to be free from torture, non-consensual medical treatment and experimentation. By contrast, the entitlements include the right to a system of health protection which provides equality of opportunity for people to enjoy the highest attainable level of health.” Transgender people should be able to obtain legal gender recognition through quick, accessible and transparent procedures and in accordance with their own perceptions of gender identity.

5 UN Special Procedures, Analysis of the draft bill presented to the Ghanaian government, 9 August 2021 ghana.un.org/sites/default/files/2021-08/Public%20-%20OL%20GHA%2003.08.21%20%283.2021%29.pdf

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