der stellvertretende Direktor der ECA, Gauri van Gulik, überreicht dem bulgarischen Justizministerium 4809 Unterschriften, die von AI Aktivist_innen seit 2013 gesammelt worden waren, mit der Forderung an die bulgarischen Behörden nach ausreichendem Schutz von LGBTI gegen Hassverbrechen und Diskriminierung, © Amnesty International

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Bulgariens Versagen, Hassverbrechen angemessen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen verstärkt Angst, Diskriminierung und letztendlich Gewalt, so Amnesty International in einem neu veröffentlichten Bericht.

AMNESTY INTERNATIONAL – PRESSEMITTEILUNG

"Missing the point: Lack of adequate investigation of hate crimes in Bulgaria" dokumentiert die schwerwiegenden Auswirkungen von Hassverbrechen auf die Opfer und verdeutlicht, wie die Behörden darin scheitern, die tief verwurzelten Vorurteile gegenüber Asylsuchenden, Migrant_innen, Muslim_innen und Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen zu bekämpfen, sodass zu weiterer Gewalt und Diskriminierung angestiftet wird.

"Hunderte von Menschen von Minderheitengruppen haben Hassverbrechen erleben müssen und viele Menschen haben kein Vertrauen, dass sie von den Behörden geschützt werden," sagt Marco Perolini, Anmnesty International Researcher über Diskriminierung in Europa. "Die bulgarischen Behörden müssen dringend Stellung beziehen und gewährleisten, dass sie zu den nationalen und internationalen Gesetzen stehen, die Menschenrechte für alle sicherstellen."
Rassistische und fremdenfeindliche Hassverbrechen

In Bulgarien gibt es Gesetze, die Verbrechen verurteilen, welche in Verbindung mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stehen, doch die Behörden scheitern durchgehend darin, diese Taten als solche zu erkennen und angemessen zu untersuchen.

Nach Berichten der Bulgarischen Helsinki Kommission und anderen Organisationen erreichten im Jahr 2013 die Angriffe gegen Migrant_innen und Asylsuchende den Höchststand. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt informierte Amnesty International, dass die Staatsanwaltschaft in Sofia zwischen Januar 2013 und März 2014 insgesamt 80 Vorverfahren wegen Verbrechen gegen ethnische Minderheiten eröffnete - eingeschlossen Migrant_innen, Roma und ethnische Türk_innen. Allerdings sind die erfassten Verfahren nicht als vollständig anzusehen und spiegeln nicht das Ausmaß der Taten wieder.

Nazir, ein Asylbewerber aus dem Irak, wurde mit Metallschlagringen von einer acht- oder neunköpfigen Gruppe im September 2013 angegriffen. Er musste neun Tage in einem Krankenhaus behandelt werden und wurde zwei Mal operiert. Die Polizei versäumte es, ihn im Krankenhaus zu dem Vorfall zu befragen und verweigerte ihm später die Aufnahme einer Anzeige. Nazir erzählte, "die Polizei sagte mir, dass ich weggehen soll oder sie würden mich zurück in den Irak schicken." Durch die Nachfragen von Amnesty International beim Innenministerium wurden die zwei Polizisten für mangelnde Sorgfalt in diesem Fall nach einer internen Prüfung sanktioniert, aber es ist noch unklar, ob letztendlich eine Untersuchung des Angriffs auf Nazir begonnen wurde.

Für bestimmte Verbrechen wie Mord oder Körperverletzung ist ein rassistisches oder fremdenfeindliches Motiv ein erschwerender Faktor und zieht eine zusätzliche Strafe nach sich, aber häufig werden diese Verbrechen bei den Behörden unter Hooliganismus geführt. Die Staatsanwaltschaft berichtete Amnesty International, dass dieser Tatbestand leichter nachzuweisen ist. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass viele Beamte nicht über die entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die bestehenden Gesetze in die Praxis umzusetzen.

"Oft werden diskriminierende Elemente von Straftaten wie rassistische Beschimpfungen einfach von den Behörden übersehen. Die Umschreibung durch Hooliganismus ist kein Ersatz für die Verfolgung von Straftaten als das, was sie wirklich sind ", sagt Marco Perolini, Amnesty International Researcher über Diskriminierung in Europa. "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kann nur beendet werden, wenn die Behörden deren Vorkommen bestätigen und dokumentieren."

Metin, ein bulgarischer Bürger mit türkischer Herkunft, wurde brutal von einer Gruppe von schwarzgekleideten Skinheads außerhalb eines Wohnblocks, in dem eine großen Zahl von Migranten leben, angegriffen. Er erlitt lebensgefährliche Verletzungen und verbrachte mehrere Wochen im Koma. Als die Skinheads vor dem Angriff versuchten, in Metins Wohnung einzubrechen, wollte ein Mann eingreifen, wurde aber angeschrien: "Warum verteidigst du Migranten? Sie töten bulgarische Mädchen." Die Polizei verhaftete die Verdächtigen vor Ort und eine Voruntersuchung wegen versuchten Mordes motiviert durch Hooliganismus wurde in die Wege geleitet.

Homophobe und transphobe Hass-Verbrechen

In Bulgarien existieren keine Gesetze, die homophobe Hassverbrechen verfolgen, sie können derzeit lediglich als Hooliganismus verfolgt werden.

Im Januar 2014 hat die Regierung ein neues Strafgesetzbuch vorgelegt, das sexuelle Orientierung als Motiv für Hassverbrechen enthält, aber die Verabschiedung des Gesetzes wurde in Erwartung der Parlamentswahlen im Oktober 2014 ausgesetzt. Die neue Regierung ist für diese Änderung noch zu verpflichten.

"Homophobe und transphobe Verletzungen werden in Bulgarien unter den Teppich gekehrt. Die bulgarischen Behörden müssen das Gesetz über Hassverbrechen überarbeiten und alle Diskriminierungsgründe aufnehmen, so dass Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle Personen (LGBTI) anfangen können, ohne Angst zu leben ", sagt Marco Perolini.

Mihail Stoyanov, ein 25-jähriger Student, wurde 2008 brutal in einem Park in Sofia getötet, weil angenommen wurde, dass er homosexuell war. Während der Untersuchung hatte ein Mann ausgesagt, dass die beiden verdächtigen Täter Teil einer Gruppe waren, welche die Absicht hatte, den Park von Homosexuellen zu "säubern". Aufgrund der Lücken im Gesetz konnte die Staatsanwaltschaft in Sofia nur Anklage wegen Mord durch Hooliganismus erheben. Der in diesem Fall zuständige Staatsanwalt berichtete Amnesty International: "Das Gesetz ist begrenzt, deshalb konnte ich nicht das homophobe Motiv in der Anklageschrift berücksichtigen."

Keine Gerechtigkeit für die Opfer

Ein Großteil der Opfer von Hassverbrechen zeigt die Taten bei den Behörden erst gar nicht an. Einige sagen, dass sie es nicht machen, da sie keine angemessene Reaktion auf ihren Fall von der Polizei erwarten oder sie fürchten weitere Diskriminierungen durch die Polizei.

Laut einer aktuellen Umfrage der Europäischen Union haben 86% der Lesben, Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender-Menschen in Bulgarien, die Gewalt oder Androhung von Gewalt erfahren haben, die Taten nicht bei der Polizei angezeigt. Etwa ein Drittel davon gab Angst vor homophoben oder transphoben Reaktionen der bulgarischen Polizei als Grund dafür an.

Nur wenige, die Hassverbrechen anzeigten, erfuhren durch die Gerichte Gerechtigkeit und wurden entsprechend entschädigt. Amnesty International sprach mit Betroffenen, die berichteten, dass sie nicht über ihre Rechte als Opfer sowie über den Stand ihrer Anklage informiert wurden, was die Bulgarischen Gesetze aber vorschreiben.

Aurore, eine schwarze Frau französischer Nationalität, wurde an einer Bushaltestelle in Sofia von einer sieben- oder achtköpfigen Gruppe körperlich angegriffen. Sie imitierten einen Affen, schubsten sie auf den Boden und traten sie. Ihre weißen Freunde wurden nicht attackiert und es ist eindeutig, dass sie das Opfer einer rassistischen Attacke wurde. Sie wurde nicht als Angriffs-Opfer vor Gericht angehört und sie wurde auch nicht über die Gerichtsverhandlung informiert. Die Verdächtigen wurden von der Schuldfähigkeit freigesprochen und es wurde eine Geldstrafe verhängt.

Aurore sagte zu Amnesty International: "ein Teil von mir ist an dem Tag gestorben...und noch mehr, als ich erfuhr, dass diese Menschen lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt wurden und ich noch nicht einmal über die Verhandlung informiert wurde... Ich möchte kein Geld oder etwas anderes, es geht mir nur darum, dass diese Taten als solche erkannt und angemessen bestraft werden, sodass etwas Ähnliches in der Zukunft nicht wieder passiert."

"Die bulgarischen Behörden müssen Hassverbrechen untersuchen, anerkennen und öffentlich verurteilen, um solche Verbrechen in der Zukunft zu verhindern und die tief verwurzelten Vorurteile in der bulgarischen Gesellschaft anzugehen" ergänzte Marco Perolini.

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