Fans der libanesischen Indie Rockband Mashrou Leila mit einer Regenbogenflagge beim Konzert in Kairo
Fans der libanesischen Indie Rockband Mashrou Leila mit einer Regenbogenflagge beim Konzert in Kairo, Ägypten, 22. September 2017, © DPA/PA Images

Meldungen | Ägypten : Homophober Gesetzentwurf zur beispiellosen Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen

Mehr als 60 Mitglieder des ägyptischen Parlaments haben ein zutiefst diskriminierendes Gesetz vorgeschlagen, das gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivität im Land zum ersten Mal ausdrücklich kriminalisiert, sagte Amnesty International. Der Schritt setzt die jüngste Entwicklung seit der beispiellosen LGBTI-Razzia der Behörden nach dem Hissen der Regenbogenfahne bei einem Konzert in Kairo am 22. September fort.

Amnesty International – Pressemitteilung

Der vorgeschlagene Gesetzentwurf definiert zum ersten Mal "Homosexualität" und legt verschärfte Strafen bis zu fünf Jahren Haft fest - bis hin zu 15 Jahren bei Verurteilungen aufgrund mehrerer Anklagepunkte entsprechend verschiedener Bestimmungen des Gesetzes.

"Seit mehr als einem Monat gehen die ägyptischen Behörden brutal gegen LGBTI-Personen vor. Mehr als 70 Menschen wurden verhaftet, einige mussten sich Analuntersuchungen unterziehen, die als Folter angesehen werden. Diese zutiefst diskriminierende Gesetzesvorlage wäre ein schwerer Rückschlag für die Menschenrechte und ein weiterer Sargnagel für sexuelle Rechte in Ägypten", sagte Najia Bounaim, Direktorin für Nordafrikakampagnen bei Amnesty International.

"Die Verabschiedung des Gesetzes würde zu einer Verschärfung von Stigmatisierung und Übergriffen gegenüber Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung führen. Niemand darf Diskriminierung, Einschüchterung oder Inhaftierung aufgrund seiner tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung ausgesetzt sein. Die ägyptischen Behörden müssen diesen Gesetzentwurf dringend fallenlassen und der alarmierenden Welle homophober Verfolgung ein Ende setzen."

Riad Abdel Sattar, Abgeordneter der liberalen "Free Egyptians" Partei, schlug das neue Gesetz vor, nachdem er mindestens 67 Unterschriften von Abgeordneten gesammelt hatte. Es wird erwartet, dass der Gesetzesentwurf während der aktuellen Sitzungsperiode vom Parlament geprüft und diskutiert wird, und falls er angenommen wird, dem Präsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt wird.

Der Gesetzesentwurf, der sieben Artikel umfasst, sieht Strafen von bis zu fünf Jahren Haft bei gleichgeschlechtlichen sexuellen Beziehungen, die im Gesetzesentwurf als "Homosexualität" bezeichnet werden, vor. "Homosexualität fördern oder anregen" wird ebenfalls mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet.

Bisher haben sich die ägyptischen Behörden auf das Prostitutionsgesetz Nr. 10 von 1961 gestützt, um Personen, die verdächtigt werden, gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten auszuüben, mit dem Vorwurf "gewohnheitsmäßiger Ausschweifung" anzuklagen - eine Straftat, die mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden kann.

Der Gesetzentwurf verbietet auch die öffentliche Unterstützung oder Werbung für LGBTI-Versammlungen oder -Organisationen, sei es durch Audio- oder Video-Veröffentlichungen oder über soziale Medien. Die Strafe für solche Handlungen beträgt bis zu drei Jahren Haft. Die Anzeige eines LGBTI-Symbols oder -Zeichens, die Herstellung, Vermarktung, der Verkauf oder das Marketing solcher Produkte würde ebenfalls mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.

In der Gesetzesvorlage heißt es weiter, dass die Verurteilten nach der Verbüßung der Haftstrafe zudem eine Bewährungsstrafe erhalten sollen, die der Dauer der Gefängnisstrafe entspricht. Amnesty International hat festgestellt, dass in Ägypten unter Bewährung stehende Personen oft 12 Stunden täglich in einer örtlichen Polizeistation bleiben müssen, was bedeutet, dass sie de facto ihrer Freiheit beraubt sind.

Der Gesetzentwurf enthält auch eine Klausel, die die Behörden dazu ermächtigt, Personen, die nach dem Gesetzesentwurf verurteilt wurden, öffentlich zu "beschämen", indem sie ihre Namen und Urteile in zwei weit verbreiteten nationalen Zeitungen veröffentlichen können, was das verbreitete Stigma gegen Menschen, die als schwul gelten, weiter schüren würde.
"Dieser Gesetzesentwurf sieht nicht nur vor, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu kriminalisieren - was kein Vergehen sein darf - sondern er soll auch Stigmatisierung, Demütigung und Hass gegen Menschen auf der Grundlage ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung anstacheln", sagte Najia Bounaim, Kampagnendirektorin für Nordafrika bei Amnesty International.

"Internationale Politiker_innen, darunter der französische Präsident Emmanuel Macron, der letzten Monat Präsident Abd el-Fattah al-Sisi im Élysée-Palast empfangen hat, müssen sich dazu äußern und dieses homophobe Vorgehen kritisieren. Anstatt rote Teppiche auszurollen, um den ägyptischen Präsidenten in europäischen Hauptstädten willkommen zu heißen und neue Abkommen zu unterzeichnen, sollten sie ihren Einfluss geltend machen, um sicherzustellen, dass das Parlament diesen zutiefst repressiven Gesetzesentwurf fallenlässt."

In einem Urteil des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1994 wurde festgestellt, dass Gesetze, die einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen gleichen Geschlechts unter Strafe stellen, das in Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte garantierte Recht auf Privatsphäre verletzen.

Verhaftungswelle

Laut der ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte wurden seit dem Beginn der LGBTI-Razzia am 22. September mindestens 75 Personen aus verschiedenen Gouvernements in ganz Ägypten verhaftet. Die meisten von ihnen wurden über Online-Dating-Apps festgenommen.

Mindestens fünf der Verhafteten mussten sich Analuntersuchungen unterziehen, die als Folter angesehen werden, und mindestens 20 Männer wurden in Eilverfahren zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und sechs Jahren verurteilt. Der Rest der Inhaftierten wird in verschiedenen Gefängnissen und Polizeistationen festgehalten und wartet auf Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft.

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