28. Oktober 2014
Am 23. Oktober umzingelten rund 30 junge Menschen ein Café in Skopje, in dem mehr als 60 Mitglieder des LGBTI-Beratungszentrums und der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte das zweijährige Bestehen des Zentrums feierten. Die Täter_innen waren in Kapuzen gehüllt und trugen Glasflaschen und andere Waffen bei sich. Sie bewarfen das Gebäude mit Steinen und ergriffen daraufhin die Flucht.
Zwei Personen, die vor dem Café standen, wurden mit Flaschen attackiert und erlitten Verletzungen an Kopf und Körper. Die Angreifer_innen forderten sie wiederholt zum Gehen auf, da "Schwuchteln nicht willkommen" seien. Mehrere Menschen im Café wurden durch umherfliegende Glasscherben verletzt.
Dies ist bereits der sechste Angriff auf das LGBTI-Beratungszentrum bzw. auf dessen Aktivitäten seit seiner Eröffnung im Oktober 2012. Das Gebäude wurde wiederholt mit Steinen beworfen und war einmal Ziel einer versuchten Brandstiftung. Fünf der Angriffe wurden nicht aufgeklärt; untersucht wurde lediglich der Übergriff im März 2013, der sich bei einer großen multiethnischen Demonstration ereignete.
Amnesty International fordert von Polizei und Staatsanwaltschaft eine umgehende, vollständige und wirksame Ermittlung. Dabei müssen jegliche mutmaßlich homophoben oder transphoben Motive für die Tat offengelegt werden.
Die Organisation bedauert, dass das Innenministerium in seinem öffentlichen Bericht über den Vorfall nicht anerkannt hat, dass es sich bei dem Angriff auf die Feierlichkeiten des LGBTI-Zentrums um einen organisierten Überfall mit diskriminierenden Motiven handelt. Stattdessen war lediglich von einem gewalttätigen Angriff durch unbekannte Täter_innen die Rede.
Amnesty International verlangt, dass dieser und andere Übergriffe auf LGBTI-Personen und -Organisationen als Hassdelikte verfolgt werden und in die Kategorie "rassistische oder anderweitig diskriminierende" Verbrechen fallen. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen der durchaus gerechtfertigten Vermutung, die Motive für den Angriff folgten einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, weiter nachgehen. Dabei müssen alle mutmaßlich diskriminierenden Motive, die mit dem Angriff zusammenhängen, Bestandteil der Anklage und aller anderen relevanten rechtlichen Schritte gegen die Verdächtigen sein. Im Falle der Aufdeckung eines solchen Motivs sollte das Gericht Gebrauch von Artikel 39 (5) machen, in dem festgelegt wird, dass bei der Bestrafung eines Verbrechens, das sich gegen die Identität einer Person richtet, ein diskriminierendes Motiv besondere Berücksichtigung finden muss.
Amnesty International fordert weiterhin die Regierung dazu auf, den verbalen Drohungen nachzugehen, die in den sozialen Medien gegenüber der LGBTI-Beratungsstelle geäußert wurden.
Hintergrund
Mazedonien wurde bereits mehrmals dafür kritisiert, die Rechte von LGBTI-Personen nicht ausreichend sicherzustellen. Die Antidiskriminierungsgesetze beinhalten kein Verbot von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Auch in Artikel 39 (5) werden diese Motive nicht ausdrücklich genannt. Es existiert keine spezifische Gesetzgebung für Hassverbrechen. Darüber hinaus speichert die Regierung keine Statistiken über solche Hassdelikte. Mord- und Überfalldrohungen gegenüber LGBTI-Organisationen und Menschenrechtler_innen wird nur selten wirksam nachgegangen und die Täter_innen nur in wenigen Fällen strafrechtlich verfolgt.