Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten
LGBTI-Aktivist_innen feiern vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten © Evan Golub / Demotix – Foto: @ Evan Golub / Demotix

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Die Urteile des U.S. Supreme Court vom 26. Juni 2013 waren für all diejenigen ein Grund zur Freude, denen Menschenrechte ein großes Anliegen sind: In den USA sind wir der kompletten Gleichstellung vor dem Gesetz, unabhängig davon, wen wir lieben, einen großen Schritt näher gekommen.

Von Jaime Todd-Gher aus Amnesty International‘s Law and Policy Team

Für tausende Familien in den USA bedeuten die Urteile zur gleichgeschlechtlichen Ehe Gerechtigkeit, gleichen Rechtschutz und – auf einer eher grundlegenden, aber dennoch nicht weniger wichtigen Ebene – finanzielle Absicherung und familiäre Anerkennung.

Auch wenn die Ehe kein Garant für Freiheit und Gleichstellung ist, kann man den Schaden nicht bestreiten, der dadurch entsteht, dass einzelne Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ungerecht behandelt und ihre intimsten Beziehungen öffentlich gemustert und diskutiert werden.

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat diesen Meilenstein nun in den Urteilen zu den Fällen USA v. Windsor und Hollingsworth v. Perry gesetzt. Im Falle Windsor hat das Gericht Artikel 3 des kontrovers diskutierten Defense of Marriage Act (DOMA genannt) revidiert. Diese Vorschrift hielt die US-Bundesregierung dazu an, gleichgeschlechtliche Paare zu behandeln, als wären sie unverheiratet, und ihnen damit bundesstaatliche Vorteile zu entsagen, wie beispielsweise Privilegien im Gesundheitswesen, Absicherungen im Insolvenzfall, Hinterbliebenenrechte sowie Anerkennung und Schutz der Kinder.
Auch persönlich hat DOMA so einige Leiden verursacht. Meine Partnerin ist momentan dabei, unsere neugeborene Tochter zu adoptieren, obwohl sie in Kalifornien bereits ihr gesetzliches Elternteil ist. Denn wir müssen noch immer mit der Angst leben, dass ihr das Elternrecht verweigert werden könnte, wenn wir Verwandte in Missouri oder Pennsylvania besuchen. Der emotionale, physische und finanzielle Einfluss solch diskriminierender Gesetze kann nicht überschätzt werden.

Der U.S. Supreme Court erachtete Artikel 3 der DOMA als verfassungswidrigen Verstoß gegen Gleichstellung und Freiheit – dies allein ist bereits ein Grund zum Feiern. Aber auch generell fällt der Stil dieser Entscheidung durch die Höflichkeit und den Respekt gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren und ihren Familien auf. Sie unterstreicht den Wert und die Bedeutung gleichgeschlechtlicher Beziehungen auf eine Art und Weise, die von Richter_innenseite bisher unbekannt war.
Die gerichtliche Entscheidung im Falle Hollingsworth v. Perry ist nicht weniger bedeutsam. Die Richter_innen hoben einen Volksentscheid (Proposition 8) auf, der die gleichgeschlechtliche Ehe in Kalifornien verfassungsmäßig verbot. Die PerryEntscheidung ist sogar ein doppelter Sieg: Zum einen können in Kalifornien wieder gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen werden. Dies bietet tausenden von Paaren, die ihre Ehe vor dem Gesetz geduldet sehen wollen, rechtlichen Schutz und Trost.
Zum anderen bekräftigte das Gericht implizit, dass die bloße gesetzliche Billigung gleichgeschlechtlicher Ehen weder einzelnen Menschen noch der Gemeinschaft als Ganzes schadet. Dies allein ist schon ein enormer Erfolg, da Gegner_innen der gleichgeschlechtlichen Ehe oft fälschlicherweise von nicht näher definiertem „Schaden“ sprechen, um gesetzliche Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen.

Anwält_innen in den USA haben lange und hart dafür gekämpft, Vorurteile gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intersexuelle Menschen (LGBTI) und ihre Familien aus dem Weg zu räumen, und forderten die diskriminierende Gesetzgebung und Politikgestaltung durch alle Gerichte hindurch unermüdlich heraus.

Diese beiden Fälle verdeutlichen einerseits die Wichtigkeit der Kontrolle der Regierung durch ein funktionierendes Rechtssystem und andererseits die Bedeutung kultureller Veränderungen als Grundlage effektiver Menschenrechtsverfechtung. Menschenrechte können nur dann durchgesetzt werden, wenn Fortschritte auf beiden Seiten erzielt werden. Diese Entscheidungen sind ein Symbol funktionierender Demokratie – und so sollten sie auch gefeiert werden.
Die Windsor-Entscheidung macht in klaren Worten bewusst, dass die Verfassung der USA den Kongress daran hindert, eine unbeliebte Untergruppe der Gesellschaft nachteilig zu behandeln. Und die Perry-Entscheidung bestätigt, dass die gleichgeschlechtliche Ehe an sich die USA keinesfalls bedroht. Auch wenn diese Entscheidungen vielleicht nicht allen LGBTI-Menschen neue Kraft gibt, besonders nicht denjenigen, die für die Grundbedürfnisse kämpfen, sind sie doch ein Anfang – nämlich das Verbot gezielter, staatlich geduldeter Diskriminierung.

Gleichgeschlechtliche Ehen gehen uns alle an. Die Unterdrückung eines Teils der Gesellschaft öffnet die Türen zur Unterdrückung aller, in allen Bereichen.

Amnesty International begrüßt diese Entscheidungen, da sie die Rechtsstaatlichkeit fördern und darauf hinwirken, Menschenrechte für jeden Menschen in den USA durchzusetzen. Vor allem aber solidarisieren wir uns mit den tausenden Menschen in festen Partnerschaften in ganz Amerika, denen das Oberste Gericht hiermit gezeigt hat, dass ihre Liebe von Bedeutung und ein Grund zum Feiern ist.

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