AMNESTY INTERNATIONAL – GEMEINSAME ÖFFENTLICHE ERKLÄRUNG
Datum: 22. Juni 2016
Index: EUR 21/4305/2016
Ein Ausschuss aus Mitgliedern der französischen Nationalversammlung und dem Senat (Commission Mixte Paritaire) wird heute einen Legislativvorschlag, der von der Nationalversammlung am 19. Mai verabschiedet wurde, diskutieren. Auf der Grundlage des vorliegenden Vorschlags wird Trans*Personen nur dann die rechtliche Anerkennung ihres Geschlechts erlaubt werden, wenn sie nachweisen können, dass ihr rechtliches Geschlecht nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht. Um dies zu tun, müssen sie Beweise erbringen, wozu auch medizinische Gutachten gehören.
Wenn der Gesetzesvorschlag angenommen würde, könnte es durch die Rechtsunsicherheit zu weiteren Verletzungen der Menschenrechte von Trans*Personen führen, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre und des Rechts, frei von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu leben. Der Europarat-Kommissar für Menschenrechte und mehrere andere Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt hervorgehoben, dass die von Trans*Personen erforderte psychiatrische Diagnose und eine medizinische Behandlung als Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit eine Reihe ihrer Rechte verletzt.
Derzeit können Trans*Personen in Frankreich aufgrund des Fehlens eines gesetzlichen Rahmens nur die rechtliche Anerkennung ihres Geschlechts erhalten, wenn sie sich einem langen Gerichtsverfahren unterziehen. Gerichte fordern häufig, dass Beweise einer Behandlung zur Geschlechtsangleichung erbracht werden, sowie die psychiatrische Diagnose Störung der Geschlechtsidentität und dass eine Sterilisation nachgewiesen wird.
Trans* Menschen in Frankreich stehen vor einem Dilemma, da jede ihnen mögliche Entscheidung zu einer Verletzung ihrer Menschenrechte führt. Entweder erfüllen sie die missbräuchlichen Anforderungen und erhalten die rechtliche Anerkennung ihres Geschlechts oder sie leben weiterhin mit Dokumenten, die nicht ihre Geschlechtsidentität spiegeln und sind weiteren Diskriminierungen aussetzt. Französische Abgeordnete haben jetzt eine historische Chance, diesen Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen.
Die französischen Abgeordneten sollten sich von verschiedenen Ländern in Europa inspirieren lassen, darunter Dänemark, Irland, Malta und Norwegen, die ihre Gesetze reformiert haben oder im Prozess der Reformen sind. In den Gesetzen und in der Praxis wird Trans*Personen ermöglicht, die rechtliche Anerkennung ihres Geschlechts auf der Basis ihrer Selbstbestimmung zu erhalten, ohne dass sie sich einer medizinischen Behandlung unterziehen oder irgendwelche Beweise erbringen müssen.
Der Vorschlag, der heute diskutiert wird, steht weit unter diesen Standards. Amnesty International, ILGA-Europa und Transgender Europe fordern die französischen Abgeordneten auf, den Vorschlag zu ändern, um sicherzustellen, dass Trans*Personen rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit durch ein Verfahren erhalten, das ihnen nicht missbräuchliche Anforderungen auferlegt und das in vollem Umfang die Menschenrechte erfüllt.