AMNESTY INTERNATIONAL – PRESSEMITTEILUNG
22. Dezember 2015
"Die Verabschiedung dieses Gesetzes stellt einen kleinen, aber hart erkämpften Sieg für die Aktivist_innen in Griechenland dar. Sie haben sich jahrelang und unermüdlich für die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen eingesetzt ", sagte Gauri van Gulik, Stellvertretende Direktorin von Amnesty International für Europa und Zentralasien.
"Dieses Gesetz bedeutet, dass der Staat die Existenz gleichgeschlechtlicher Beziehungen anerkennt und dass sie eine Bedeutung haben. Es sendet eine Botschaft der Hoffnung nicht nur an Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Intersex ( LGBTI ) Personen, sondern auch an alle Menschen, die für Gerechtigkeit und Gleichheit kämpfen. Die Botschaft ist, dass Griechenland toleranter wird."
Das neue Gesetz, das stark von der griechisch-orthodoxen Kirche und mehreren politischen Parteien bekämpft wurde, erkennt Partner einer Lebenspartnerschaft als nächste Angehörige an und ermöglicht gleichgeschlechtlichen Paaren einige Rechte von Ehepaaren. Dazu gehören ein Krankenhausbesuchsrecht, Entscheidungen bei medizinischen Notfällen und Erbrecht.
Amnesty International betont, dass der Kampf für LGBTI-Rechte noch lange nicht vorbei ist und fordert die griechische Regierung auf, alle Rechte zu garantieren, einschließlich Gleichheit vor dem Gesetz (einschließlich Ehe), Adoptionsrecht und rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit für Trans* Personen.
"Trotz dieser ersten Schritte leben LGBTI-Menschen in Griechenland immer noch in einem Klima der Feindseligkeit und die Behörden gewährleisten keinen angemessenen Schutz davor. Physische Angriffe sind auf dem Vormarsch, Hassreden sind üblich und werden von den Behörden nicht verfolgt. Sogar der Ausdruck von Zärtlichkeiten zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren im Fernsehen wird zensiert ", sagte Gauri van Gulik.
Die NGO (Nichtregierungsorganisation) Colour Youth berichtete Amnesty International, dass sich die Angriffe auf LGBTI Menschen im Jahr 2015 im Vergleich zu 2014 verdreifacht haben. Zu den angezeigten Übergriffen gehörten Schlägereien, Schießereien und Vergewaltigungen wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität der Opfer.
Die Gesetzgebung scheitert auch darin, Trans* Personen die rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit zu ermöglichen.
"Die Rechte von allen Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Intersex Personen müssen voll respektiert und geschützt werden. Niemand darf Diskriminierung oder Gewalt erleben für das was sie sind, wen sie lieben oder wie sie ihr Geschlecht ausdrücken. Die griechische Regierung sollte diese Gesetzesentscheidung jetzt nutzen, um durchzusetzen, wofür Aktivist_innen unverzagt kämpfen: Nichts weniger als die volle Gleichstellung".
Hintergrund
Im Jahr 2008 hat die griechische Regierung Lebenspartnerschaften als Alternative zur Ehe eingeführt, allerdings kam das Gesetz nur für heterosexuelle Paare zur Anwendung. Im November 2013 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Rechtsvorschrift eine Diskriminierung des Rechts auf Privatleben aufgrund der sexuellen Orientierung der Klagenden darstellt und einen Verstoß gegen die Artikel 8 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wegen der Nichtdurchführung des Urteils initiierten 162 Paare eine neue und weiterhin anhängige Klage.
Amnesty International fordert alle Staaten auf, Diskriminierungen in Zivilehegesetzen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu beenden. Im März 2015 hat sich Amnesty International mit dem Justizminister in Griechenland getroffen und ihn aufgefordert, Diskriminierungen gegenüber LGBT Personen zu bekämpfen sowie sich für die volle Gleichstellung mit der Ehe und die rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit von Trans*Personen einzusetzen.
Im Juni 2015 gab der Justizminister bekannt, dass er für das Recht auf eine Lebenspartnerschaft für alle Paare gesetzgeberisch tätig werden würde. Am 15. Dezember haben LGBT-NGOs dem Parlamentarischen Ausschuss Änderungsvorschläge wegen aus ihrer Sicht fehlender Punkte des Gesetzentwurfes unterbreitet. Das führte zu neuen Verpflichtungen wie beispielsweise der Einführung eines Redaktionsausschusses für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität und für das Recht gleichgeschlechtlicher Paare, eine Familie zu gründen. Amnesty International fordert die griechische Regierung auf, diese Verpflichtungen zu erfüllen.