Interview: Vera Dudik
Warum engagieren Sie sich für LGBT-Rechte?
Mein Engagement begann als Teil meines eigenen Coming-Outs. Ich habe 1995 LGBT-Aktivistinnen und -Aktivisten in Moskau besucht. Als ich zurück nach Lugansk kam, beschloss ich mit einer Gruppe von Freunden, dass es höchste Zeit war, so etwas auch in der Ukraine zu tun. Denn damals gab es so gut wie keine Informationen über Homosexualität, wir waren öffentlich unsichtbar.
War das die Gründungsidee hinter Ihrer eigenen LGBT-NGO, "Nash Mir"?
Ja, daraus entwickelte sich dann die Organisation. Zuerst waren wir nur vier oder fünf Aktivistinnen und Aktivisten, die Informationen über Homosexualität und LGBT-Rechte verbreiten wollten. Deswegen publizierten wir ein Magazin, in dem wir über genau diese Themen sprachen. Wir nannten es "Nash Mir", was russisch für "Unsere Welt" ist und verteilten es an LGBT-Gruppen im ganzen Land und schickten es vor Parlamentswahlen an Politikerinnen und Poltiker.
Wie war deren Reaktion?
Wir waren sehr überrascht, dass sie überhaupt reagierten. Die meisten negativ, aber das war auch etwas, denn zu dieser Zeit wurde das Thema normalerweise totgeschwiegen. Wir beschlossen, dass ein Magazin nicht reichte, um genug Druck zu machen. Also wollten wir "Nash Mir" als offizielle NGO registrieren lassen. Hier fingen die Probleme an.
Welche Schwierigkeiten mussten Sie überwinden?
Die örtlichen Justizbehörden in Lugansk hielten uns zwei Monate lang hin, um unsere Registrierung dann abzulehnen. Deswegen baten wir 1998 andere Organisationen um Hilfe. Amnesty International hat dabei eine wichtige Rolle gespielt und mit vielen tausend Briefen an unsere Behörden dafür gesorgt, dass sie uns 1999 schließlich zulassen mussten.
Erst seit 1991 sind homosexuelle Beziehungen in der Ukraine nicht mehr strafbar. Wie hat sich die gesellschaftliche Haltung seither verändert?
Je sichtbarer Homosexualität gesellschaftlich wurde, desto mehr wuchs die Feindlichkeit dagegen. Zwar lehnen heute noch immer 60 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer Homosexualität ab. Und die Situation auf dem Land, wo die Kirche noch großen Einfluss hat, ist eine andere als zum Beispiel in Kiew. Aber zumindest in den großen Städten wird Homosexualität toleriert. Besonders seit der Revolution von 2014 verzeichnen wir Erfolge. Das Thema wird im Rahmen der Annäherung an die EU gesehen. Präsident Poroschenko sagte anlässlich des diesjährigen "Equality Marches" für LGBT-Rechte, dass er als Christ nicht daran teilnehmen werde, aber als Europäischer Politiker keinen Grund sehe, warum andere das nicht tun sollten. Das bedeutete grünes Licht für alle und die Teilnehmerzahlen waren so hoch wie noch nie.
Die Zusammenarbeit mit der Polizei klappt auch immer besser: Erst im August haben wir einen gemeinsamen Runden Tisch abgehalten und über homophobe Hassverbrechen gesprochen. Die Polizei betrachtet uns inzwischen als Partner im Kampf für die Menschenrechte. Das ist ein riesiger Schritt - vor fünf Jahren war sie noch Hauptverursacher der Verletzungen von LGBT-Rechten in der Ukraine.
Was denken Sie, wie sich die Situation für LGBT in der Ukraine entwickeln wird?
Wir sind vorsichtig optimistisch. In diesem und im vergangenen Jahr konnten wir positive Veränderungen sehen, auch auf Gesetzeslevel. Die Rechte von homosexuellen Menschen sind jetzt im Arbeitsrecht beispielsweise besser geschützt. Das würde nicht passieren ohne die Annäherung an die Europäische Union. Solange das so bleibt, entwickeln sich die Dinge in die richtige Richtung.