AMNESTY INTERNATIONAL
Kurzmeldung
„Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs öffnet die Tür für eine stärkere Anerkennung der Rechte von Trans-Personen. Doch angesichts des hohen Maßes an Diskriminierung und Stigmatisierung, mit dem LGBTI-Personen in der südkoreanischen Gesellschaft konfrontiert sind, ist es noch ein weiter Weg“, sagte Jihyun Yoon, Direktor von Amnesty International Korea.
Mit dieser Entscheidung - und der teilweisen Aufhebung seiner früheren Entscheidung aus dem Jahr 2011 - bekräftigte der Oberste Gerichtshof die Rechte von Trans-Personen auf Würde, Glück und Familienleben.
Das Gericht betonte, dass Trans-Personen das Recht haben, entsprechend ihrer Geschlechtsidentität rechtlich anerkannt zu werden, und dass sie nach dem Gesetz die gleichen Rechte und Pflichten haben, ein Familienleben zu führen. Es fügte hinzu, dass die rechtliche Anerkennung des Geschlechts weder die Pflichten oder die Stellung der Trans-Eltern noch die Rechte der minderjährigen Kinder grundlegend ändert.
In Südkorea gibt es kein Gesetz, das die rechtliche Geschlechtsanerkennung regelt, was bedeutet, dass die Antragsteller die rechtliche Geschlechtsanerkennung bei den Gerichten gemäß den vom Obersten Gerichtshof im Jahr 2006 verabschiedeten „Leitlinien für die Behandlung von Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung zur rechtlichen Geschlechtsumwandlung für Trans-Personen“ beantragen müssen.
Diese Richtlinien enthalten missbräuchliche oder diskriminierende Anforderungen, wie z. B. keine Kinder unter 19 Jahren zu haben und selbst mindestens 19 Jahre alt zu sein, sowie unverheiratet zu sein, die Diagnose „Transsexualismus“ zu haben, sich einer Hormontherapie unterzogen zu haben und sterilisiert worden zu sein.
„Dieses Urteil betrifft nur eine der vielen diskriminierenden Anforderungen in den Richtlinien, aber es kann ein wichtiger Schritt zur Entpathologisierung der rechtlichen Geschlechtsanerkennungsverfahren in Südkorea sein“, sagte Jihyun Yoon.
„Die Regierung muss sicherstellen, dass die rechtliche Geschlechtsanerkennung nicht von psychiatrischen Diagnosen, medizinischen Behandlungen wie Zwangssterilisationen und genitalrekonstruktiven Operationen oder anderen missbräuchlichen oder diskriminierenden Anforderungen wie dem Familienstand oder dem Fehlen von Kindern abhängig gemacht wird. Stattdessen muss es sich um ein schnelles, zugängliches und transparentes Verwaltungsverfahren handeln, das auf individueller Selbstbestimmung beruht.“
Hintergrund
Dies ist das erste Mal seit 11 Jahren, dass der Oberste Gerichtshof Südkoreas ein Urteil zur rechtlichen Geschlechtsanerkennung fällt, nachdem 2011 eine solche Anerkennung einer Person mit minderjährigen Kindern (unter 19 Jahren) verweigert wurde.
Amnesty International hat dem Obersten Gerichtshof eine Stellungnahme zu internationalen Rechtsstandards in Bezug auf das Recht auf rechtliche Geschlechtsanerkennung vorgelegt.
Laut einer von der Nationalen Menschenrechtskommission Südkoreas im Jahr 2020 in Auftrag gegebenen Untersuchung haben die von den Gerichten geforderten Voraussetzungen und die damit verbundene finanzielle, physische und psychische Belastung dazu beigetragen, dass viele Trans-Personen sich nicht um eine rechtliche Geschlechtsanerkennung bemühen.
Das Recht auf rechtliche Geschlechtsanerkennung leitet sich aus einer Reihe von grundlegenden Menschenrechten ab, die sowohl im nationalen als auch im internationalen Recht geschützt sind, darunter das Recht auf Selbstbestimmung, Privatsphäre und Gesundheit.
Ohne die rechtliche Anerkennung des Geschlechts und andere soziale Reformen zur Beseitigung der Stigmatisierung sind Trans-Personen mit größerer Wahrscheinlichkeit weiterhin Gewalt und Diskriminierung sowie einer Reihe negativer sozialer und wirtschaftlicher Folgen wie dem fehlenden Zugang zu Beschäftigung ausgesetzt.