Von Felix Lill
Mosher Stephanie ist dieser Tage nervös. "Ich muss wirklich hier weg", schreibt sie per WhatsApp. "Nichts ist gut hier." Sie befinde sich im Moment in einem Versteck, habe viele soziale Kontakte und ihren Job verloren. Mit ihren Eltern habe sie schon länger gebrochen. Als ihr Vater vor einigen Jahren Chats mit einem Liebhaber auf dem Handy entdeckte, fragte der: "Bist du schwul?" Zu antworten, dass sie in Wahrheit eine trans Frau ist, hat sich die heute 22-Jährige nicht getraut. Sie zog lieber aus.
Mit der neuen Gesetzeslage ist Mosher Stephanie praktisch eine Kriminelle. Ende März 2023 hat das ugandische Parlament ein Gesetz beschlossen, das es in sich hat. "Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen" sind hier zwar schon lange illegal. Die neuen Regeln aber stellen sogar die Identifikation mit der LGBTI-Szene unter Strafe. Schon durch ihr Outing als trans Person drohen Mosher Stephanie nun 20 Jahre Haft. Medien, die im Land positiv über geschlechtliche Diversität berichten, machen sich ebenso strafbar wie Bildungsorganisationen, die hierüber aufklären oder Vermieter*innen, die eine Wohnung vermieten.
In "schwerwiegenden" Fällen erlaubt es das Gesetz nun, für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen die Todesstrafe zu verhängen – dies könnte auf gleichgeschlechtlichen Sex mit Personen zutreffen, die an HIV erkrankt sind, unter Drogeneinfluss stehen, eine Behinderung haben oder minderjährig sind. In kaum einem Land sind die offiziellen Regeln für LGBTI-Personen derart restriktiv wie in Uganda. Und in der Hauptstadt Kampala sind die Entscheider*innen offensichtlich stolz drauf. "Homosexuelle haben keinen Platz in Uganda", jubelte der Abgeordnete Musa Ecweru bei der Abstimmung. Dann wurde gemeinsam gesungen.
Seit mehr als zehn Jahren versuchen Politiker*innen, die Gesetze gegen LGBTI zu verschärfen. Bereits im Jahr 2014 unterzeichnete Präsident Museveni ein Gesetz, das "schwerwiegende" gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Todesstrafe stellen sollte. Homosexualität bezeichnete er als "ekelhaft". Damals wurde das Gesetz vom Obersten Gericht einkassiert, weil es formale Mängel gab. International für Empörung sorgte das Vorhaben trotzdem. Die USA strichen ihre Entwicklungshilfe für das Land.
Nach Anschauung von Präsident Museveni sowie diverser mächtiger Kirchen im Land ist die LGBTI-Bewegung westlicher Kulturimperialismus. "Afrikanische Werte" seien damit nicht vereinbar, hat Museveni wiederholt erklärt. Ironisch dabei: Gut 80 Prozent der ugandischen Bevölkerung sind christlichen Glaubens, gehören also einer durch den britischen Kolonialismus verbreiteten Religion an. In Religionsfragen wird allerdings kaum mit Kulturimperialismus argumentiert, beim Thema sexuelle Identität und Orientierung dagegen immer wieder.
Wer vom neuen Gesetz betroffen ist, ist nun in akuter Gefahr. Schon in vergangenen Jahren wurden immer wieder Treffen durch die Polizei aufgelöst, wenn diese eine Versammlung der queeren Community vermutete. Vor rund einem Jahr wurde ein geplantes Gay Pride-Event in letzter Minute durch die Polizei verhindert. "Menschen verlieren jetzt ihre Jobs, werden aus ihren Wohnungen vertrieben. All das passiert wirklich", sagt Ramathan Kaggwa, der Gründer einer Kirche, die auch Personen, die nicht heterosexuell sind, willkommen heißt und ihnen den Segen ausspricht.
Die Adonai Christian Ministries, wie sich die inklusive Kirche nennt, ist selbst immer wieder mit existenziellen Problemen konfrontiert gewesen – und mit dem neuen Gesetz unmissverständlich in der Illegalität gelandet. "Immer, wenn ein Vermieter herausgefunden hat, was wir tun, wurden wir rausgeworfen", berichtet Ramathan Kaggwa. "Polizist*innen haben Pistolen auf uns gerichtet!" Dabei sagt Kaggwa: "Man kann doch nur kriminell sein für das, was man tut, und nicht für das, was man ist." Und aus religiöser Perspektive fügt er hinzu: "Jesus ist doch auch für uns am Kreuz gestorben."
Es sind Stimmen, die in Uganda künftig wohl kaum noch Gehör finden werden. Bildungsinstitutionen dürfen sich jedenfalls nicht wohlwollend über sexuelle Diversität äußern. Schon im Januar kündigte die Regierung eine Untersuchung von Schulen an, die sich angeblich allzu tolerant verhielten. Anita Among, Sprecherin des Parlaments, sagte über einen demnach schwulen Lehrer und dessen mutmaßliches Verhalten: "So töten wir unsere Moral". Die Familie müsse geschützt werden, alles Nicht-heterosexuelle widerspreche diesem Ideal.
Auch Medien sind vom neuen Gesetz betroffen. Offiziell herrscht in Uganda zwar Pressefreiheit. Befürwortende Berichterstattung aber ist verboten – wobei Auslegungssache ist, was "befürwortend" genau bedeutet. So herrscht unter Journalist*innen nun auch Nervosität. Der Ugandische Journalist*innenverband, der in anderen Zusammenhängen bisher durchaus die Lage im Land kritisiert hat, will sich zu diesem Thema nicht äußern. Man kenne das Gesetz im Detail nicht, heißt es.
Genau kennen es diejenigen, die in erster Linie betroffen sind. Und unter ihnen herrscht der Wunsch, das Heimatland zu verlassen. "Ich werde jeden Tag gefragt, wie man fliehen kann", sagt Ramathan Kaggwa, der Pastor. Auch Mosher Stephanie würde am liebsten die Flucht ergreifen. Nur wissen sie nicht wie. "Sobald wir geoutet sind, verlieren wir unsere Jobs. Wir hungern, viele von uns leben auf der Straße", so Kaggwa. Um die lange und gefährliche Fluchtreise anzutreten, braucht es Geld. Und daran fehlt es immer mehr bei denjenigen, die anderswo wohl den Status als Flüchtling erhalten würden.
Felix Lill ist freier Journalist und hat bisher aus mehr als 40 Ländern berichtet. Dieser Text erschien zuerst in der Wiener Zeitung.
Wer die Menschenrechte der LGBTI-Community in Uganda unterstützen möchte, kann dies unter anderem über die Website www.walai.org. Die Adonai Christian Ministries ist erreichbar unter adonaichurch20(at)gmail.com