Meldungen | Südafrika : Trauer am Kap der Guten Hoffnung

Die Mordserie gegen schwarze lesbische Aktivistinnen in Südafrika reißt nicht ab

Südafrika hat eine der modernsten Verfassungen der Welt und ist das einzige Land auf dem afrikanischen Kontinent, das die Rechte von sexuellen Minderheiten schützt. Doch die queer community am Kap der Guten Hoffnung erlebt nicht nur Happy Endings, denn selbst die liberalsten Gesetze können homophobe Gewalttaten nicht verhindern. Nach dem brutalen Mord an Sizakele Sigasa (34) und ihrer Freundin Salome Masooa (23) herrscht große Trauer, nicht nur in der queer community.  An einem Sonntagmorgen Anfang Juli wurde das Paar auf einem Feld bei Meadowlands gefunden. Das Szenario hatte den Charakter einer Hinrichtung: Die bekannte Menschenrechtsaktivistin Sizakele Sigasa hatte sechs Kugeln im Kopf und im Schlüsselbein. Ihre Hände waren mit ihrer Unterwäsche auf den Rücken gefesselt, die Fußknöchel mit den Schnürsenkeln ihrer Schuhe aneinandergebunden. Salome Masooa wurde von hinten in den Kopf geschossen. Offenbar wurden beide vor ihrem Tod misshandelt und vergewaltigt. Der Choreograph und Filmemacher Fanney Tsimong ist einer der letzten, der dem Liebespaar in Südafrikas berühmtesten Township Soweto begegnete: „Ich hatte Sizakele Samstagnacht in einem neuen lesbischen Pub in Orlando West getroffen. Wir unterhielten uns lange über verschiedene Projekte, die ich für das schwullesbische Filmfestival mache. Es gab keine Anzeichen dafür, dass es die letzte Nacht ihres Lebens sein könnte. Ich war fassungslos, als ich wenige Stunden später erfuhr, dass sie tot ist.“

Lesbisch und schwarz geht nicht zusammen

Ein klassischer Fall von hate crime, sagen viele Schwule und Lesben am Kap und sind empört, dass die Polizei noch immer keine Verdächtigen präsentieren kann und von einem „ganz normalen“ Verbrechen spricht. „Viele von uns haben Angst“, sagt Fanney Tsimong, „weil wir nicht wissen, wer die Mörder sind. Aber etliche Organisationen sind aktiv und befassen sich mit dieser Tragödie. Es gab bereits viele Treffen und am Frauentag am 9. August findet eine Protestaktion vor dem Polizeirevier in Meadowlands/Soweto statt. Dabei fordern wir die südafrikanische und die Kommunalregierung hier auf, die queer community besser zu schützen.“
Die Hautfarbe ist das größte Problem, denn lesbisch und schwarz geht offenbar nicht zusammen. Die Sichtbarkeit lesbischer Frauen provoziert die schwarze Community, der sie auch angehören. Die Welle der Gewalt in diesem Jahr ist beispiellos. Simangele Nhlapo, ebenfalls eine Aids-Aktivistin, wurde zusammen mit ihrer zweijährigen Tochter vergewaltigt und ermordet. Auch die 16-jährige Madoe Mafubedu lebte offen lesbisch und wurde vergewaltigt und dann erstochen. Die grausamste aller Totschlaggeschichten geschah letztes Jahr in Khayelitsha nahe Kapstadt. Dort wurde die prominente 19-jährige Zoliswa Nkonyana von einem wütenden Mob von 20 jungen Männern vor ihrem Elternhaus gesteinigt und zu Tode geprügelt; ihr Stiefvater sah dabei zu. „Ich habe keine Angst, ermordet zu werden“, sagt Fanney Tsimong. „Ich bin stolz und fühle mich wohl mit meiner Sexualität. Wir leben in einem freien Land und haben Gesetze, die uns schützen. Aber ich habe Angst um die lesbischen Frauen hier, denn sie werden von heterosexuellen Bekannten vergewaltigt, die es ihnen zeigen wollen. Zuletzt werden sie ermordet. Sie sind unschuldig. Das ist nicht gerecht.“

Die Wiege der Menschheit?

Afrika gilt als Wiege der Menschheit, aber in vielen Ländern des Kontinents ist Homosexualität nicht nur gesellschaftlich geächtet, sondern auch illegal. Der einzige Hoffnungsträger ist Südafrika, ein ethnisch sehr gemischtes Land, in dem Menschen aller Hautfarben leben und das aufgrund dieser Vielfalt, elf offiziellen Landessprachen und unzähligen Religionen als Regenbogennation bezeichnet wird. Aber trotz der homofreundlichen Verfassung gehören Diskriminierungen weiterhin zum Alltag. Der Weg von der rechtlich garantierten Gleichberechtigung zur gesellschaftlichen Akzeptanz ist noch weit, denn in der Apartheidsära war Homosexualität jahrzehntelang verboten: „Viele Leute haben eine schlechte Meinung von uns queeren Menschen, andere sind ignorant und wieder andere neugierig“, erklärt Fanney Tsimong. „Wir haben noch viel damit zu tun, diese Menschen über Homosexualität aufzuklären, aber ich glaube, dass das nicht so lange dauern wird. Wir brauchen Workshops, um die queer und die schwarze Community zueinander zu bringen. Damit sie lernen, sich zu verstehen.“
Ob das so einfach funktioniert in einem patriarchalen System mit tief verwurzelten Traditionen und archaischen Bräuchen, in dem das Leben einer Frau keinen großen Wert hat? Wie fast überall auf dem Kontinent ist Sexualität auch in Südafrika weitgehend tabuisiert. Eines der größten Probleme ist sexuelle Gewalt: Vergewaltigungen gehören quasi zum Alltag und sind fast schon ein Todesurteil, denn das Land hat eine der höchsten Aidsraten der Welt. Viele Männer weigern sich, Kondome zu nehmen, deshalb sind 58 % der HIV-Infizierten Frauen.

Homosexualität ist unafrikanisch

Trotz der Aufwärtstendenz in Südafrika ist die Spanne zwischen arm und reich nach wie vor groß. Die Mehrzahl der Mittellosen sind schwarze Südafrikaner, die oft in den Townships außerhalb der Städte in Wellblechhütten hausen. Vor allem die Männer fühlen sich als Verlierer. Der europäische Kolonialismus liefert den Treibstoff für diese Hexenjagd, denn Homosexualität gilt als kranker Auswuchs der weißen Kultur. Auch deshalb richtet sich der Hass gegen schwarze Lesben, die sich stolz zu ihren Gefühlen bekennen. Aber auch auf politischer Ebene wird die Frauenfeindlichkeit geschürt, werden Homosexuelle zum Sündenbock gemacht. Jacob Zuma war von 1999 bis 2005 Vizepräsident der Republik, bis er wegen Vergewaltigungsvorwürfen zurücktreten musste. Vor Gericht gab Zuma den „einvernehmlichen“ sexuellen Kontakt zu - ohne Kondom. Doch dies sei kein Problem, erklärte er, schließlich habe er direkt danach geduscht. Diese Äußerung ist umso schockierender, weil Zuma lange als Vorsitzender des „National AIDS Council“ für die Regierungskampagne zur Bekämpfung der Epidemie zuständig war. Homosexualität betrachtet er als unafrikanisch und unchristlich, Lesben und Schwule diffamiert er gerne als „Schande der Nation und Schande Gottes“. Nach seinem Freispruch ist der ANC-Politiker beliebt wie eh und je gilt als heißer Anwärter auf die Nachfolge von Thabo Mbeki. Sizakele Sigasa war auch in einer Protestbewegung gegen Jacob Zuma aktiv. Sollte der Populist wirklich Südafrikas nächster Präsident werden, ist das nicht nur eine Tragödie für die queer community, dann geht die Hoffnung am Kap der Guten Hoffnung für alle unter.

Andrea Winter

* Die Autorin war in den letzten Jahren fünfmal in Südafrika. Sie arbeitet zum Thema Afrika für Deutsche Welle Radio und schreibt für die Afrika Post.
* Fanney Tsimong lebt in Soweto und war bei der Berlinale im Februar 2007 Jury-Mitglied des queeren Filmpreises TEDDY. Fanney ist unter anderem Regisseur des Dokumentarfilms „Silenced“, wo es um die Vergewaltigung von Frauen UND Männern in Südafrika geht.

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