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Bild: © Courtesy of the University of Texas Libraries

Meldungen | Indonesien | Asien : LGBT in Indonesien: „Sexuelle Orientierung und Identität sind unser gutes Recht“

Ein Gespräch mit Kamilia Manaf und Imelda Taurina Mandala über die Situation von Lesben, Schwulen und Transgender in Indonesien.

Wie ist es um die Situation von LGBT in Indonesien bestellt?

Kamilia: Es gibt kein Gesetz, das Homosexualität ausdrücklich verbietet, allerdings werden LGBT-Themen in der indonesischen Gesellschaft weitgehend tabuisiert. Wer sein Coming out als Schwuler, Lesbe oder queere Person erlebt, ist in der Regel von Diskriminierungen betroffen – in Form von verbaler oder körperlicher Gewalt.

Seit wann existieren lesbische und schwule Emanzipationsbewegungen in Indonesien?

Kamilia: Bereits in den frühen Achtzigern formierte sich eine Schwulenbewegung  in Indonesien. Eine lesbische Bewegung existiert erst seit 1995. Wie in vielen anderen Ländern ist die schwule Community in verschiedener Hinsicht größer und sichtbarer. Das ist natürlich auch ein globales Phänomen.

Warum sind Lesben weniger sichtbar als Schwule?

Kamilia: Die mangelnde Präsenz hängt mit patriarchalen Strukturen zusammen, die in der indonesischen Gesellschaft besonders ausgeprägt sind. Männer, und damit auch Schwule, befinden sich in einer privilegierteren Ausgangslage. Das beginnt bereits in der Erziehung: Den Jungen und männlichen Jugendlichen wird vermittelt, offensiv und aggressiv zu sein, Mädchen werden gelehrt, sich höflich und zurückhaltend zu benehmen.
Imelda: Lesbische Frauen treffen sich meist nur an privaten Orten. Immer wieder gibt es Angst, mit der Szene assoziiert zu werden, von jemandem gesehen zu werden, Fragen gestellt zu bekommen…

Mit welchen Problemen sehen sich junge Lesben in Indonesien konfrontiert, die die Kernzielgruppe des Frauen-Regenbogen-Instituts bilden?

Kamilia: Häufig erleben sie sowohl im Privaten als auch in der Schule oder an der Universität Gewalt. Es gibt Fälle, in denen Lesben durch eine psychiatrische Behandlung „geheilt“ werden sollen. Sehr viele junge Lesben werden gezwungen zu heiraten. Hin und wieder reagiert die Familie auf das Coming out auch mit Vergewaltigungen durch männliche Verwandte. Das Mädchen soll durch die Vergewaltigung heterosexuell gemacht werden. Darüber hinaus werden viele junge Lesben werden aus dem Elternhaus verstoßen. Wenn sie obdachlos werden, sind sie häufig sexueller Gewalt ausgesetzt.

Wie gehen Lesben in Indonesien mit den Problemen im familiären Umfeld um?

Kamilia: Die Familie hat in der indonesischen Gesellschaft einen sehr großen Stellenwert inne. Viele Lesben entscheiden sich daher für eine Heirat. Hier spielt auch immer wieder der Gedanke eine Rolle, die Eltern glücklich zu machen und Kinder zu bekommen. Mit einem Mann verheirate Lesben leben ihre Homosexualität höchstens heimlich. Unter Besucherinnen unserer Einrichtung ist das ein eifrig diskutiertes Thema: Soll ich einen Mann heiraten oder nicht?
Imelda: Die Meinung, nach der Sex ausschließlich der Reproduktion zu dienen hat, ist weit verbreitet. Dass ein Leben jenseits der heterosexuellen Familie möglich ist, ist für viele eine Neuigkeit.
Kamilia: Viele LGBT halten ihre sexuelle Identität für eine Sünde und glauben, dass sie heiraten müssen. Religion und Homo- oder Transsexualität werden oft als Widersprüche aufgefasst.

Welche Rolle spielen Religionen bei der Diskriminierung von LGBT?

Kamilia: Muslimischer Fundamentalismus ist ein zentrales Thema im Indonesien der Gegenwart. Das betrifft nicht nur Rechte von LGBT, sondern auch viele andere Themen wie etwa Frauenrechte im Allgemeinen. Fundamentalistische Tendenzen gibt es in Indonesien nicht nur im Islam, sondern auch in anderen Religionen. Allerdings sind konservativ-islamistische Strömungen besonders einflussreich und stark…
Imelda: …was vor allem daran liegt, dass die Mehrheit der IndonesierInnen Muslime sind. Indonesien ist weltweit gesehen das Land mit den meisten Muslimen.
Kamilia: 2002 griffen islamische Fundamentalisten LGBT-AktivistInnen auf einer HIV/Aids-Konferenz in der Nahe von Yogjakarta an. Dieser brutale Angriff stellt bis heute eine Art Trauma für die LGBT-Bewegung dar. Ein aktuelles Beispiel: Im Januar 2007 wurde in der Provinz Aceh wurde ein schwuler Mann von mehreren Menschen im Namen des Islams zusammengeschlagen. Auf der Polizeistation wurde er erneut misshandelt. Was Islam und LGBT betrifft, muss man allerdings differenzieren. Es gibt liberale muslimische Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten. Und natürlich sind nicht nur Muslime, sondern auch viele indonesische Christen homophob eingestellt.

Inwiefern unterscheidet sich die Situation von LGBT in den einzelnen Provinzen?

Kamilia: In Folge der Dezentralisierung Indonesiens erhielten mehrere Provinzen eine gewisse Autonomie. In Südsumatra hat die Regionalregierung ein Gesetz verabschiedet, das LGBT kriminalisiert. In anderen Provinzen wird Frauen vorgeschrieben, ein Kopftuch zu tragen. Ländliche Regionen sind häufig deutlich konservativer geprägt, und der Zugang zu Informationen ist dort sehr schwierig. Das Frauen-Regenbogen-Institut hat seinen Sitz zwar in der Hauptstadt Jakarta, doch wir bemühen uns auch in anderen Regionen ein Netzwerk aufzubauen.

Sind fundamentalistische Tendenzen eine eher junge Entwicklung in Indonesien?

Kamilia: Man kann zumindest feststellen, dass fundamentalistische Strömungen in der Gesellschaft in den letzten Jahren an Stellenwert gewonnen haben. Die indonesische Regierung verfolgt derzeit ein Gesetzesvorhaben, das vermeintliche Pornographie verbieten soll: Hier wären Darstellungen von Homo- und Heterosexualität in Film- und Fernsehsendungen betroffen, aber auch Küsse und Umarmungen in der Öffentlichkeit sollen kriminalisiert werden. An dem Diskurs um das Pornographie-Verbot lässt sich allerdings auch ablesen, wie vielfältig und kontrovers die Meinungen in der indonesischen Gesellschaft sind. Der Gesetzesentwurf wird seit einem Jahr in der Öffentlichkeit heiß diskutiert.

Was sind die Zukunftspläne des Frauen-Regenbogen-Instituts und wo könnten Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international helfen?

Kamilia: Für unsere Organisation ist es zunächst ein zentrales Anliegen, Frauen das Bewusstsein zu vermitteln, dass sexuelle Orientierung und Identität ihr gutes Recht sind. Viele LGBT denken, dass die Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt sind, gerechtfertigt sind. Außerdem wollen wir mit einer Kampagne die Öffentlichkeit darüber aufklären, dass Homosexualität ein Menschenrecht darstellt und dass homophobe Angriffe auf LGBT eine Menschenrechtsverletzung sind. International tätige NGOs könnten in Zukunft helfen, Menschenrechtsverletzungen an LGBT verstärkt publik zu machen. Bislang ist es so, dass staatliche Stellen in Indonesien entsprechende Fälle vertuschen und keinen Schutz bieten.

Das Gespräch führte Florian Krauß

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