Eine Welle von Protestbriefen aus allen Teilen der Welt hat die serbischen Autoritäten dazu geführt, dass sie jegliche Verantwortung für die brutalen Angriffe auf die Teilnehmer des letzten CSDs von sich wiesen, und den Organisatoren des CSDs versicherten, dass alle geeigneten Maßnahmen angewendet werden, um zukünftige Veranstaltungen des CSD zu schützen. Allerdings geben aktuelle homophobe Äußerungen des Leiters der "Abteilung für die Rechtmäßigkeit von Operationen", Miroslav Milosevic, Anlaß zur Sorge, dass die Polizei nicht daran interessiert ist, die schwul-lesbischen Bürger zu schützen, und dass die Polizei in Wirklichkeit eine Gefahr für sie darstellt
"Wir werden die Polizei von Verbrechern, korrupten Beamten, Homosexuellen, Drogensüchtigen und nichtsnützigem Gesindel säubern!" sagte Oberst Milosevic in der Wochenzeitung Nedeljni telegraf am 22. Februar 2002. "Die Polizei hat sich zur Öffentlichkeit bekannt, und wir sollten offen zugeben, dass Drogensüchtige, Homosexuelle und Menschen mit einem kriminellen Hintergrund für uns arbeiten. Was auch immer in der Gesellschaft insgesamt passiert, spiegelt sich auch in der Polizei wider. Es sind natürlich Einzelfälle. Wir müssen verhindern, dass die Bürger uns mit ihnen identifizieren.
Diese Aussagen sind besonders erstaunlich, da das Innenministerium sich eine solche Mühe gegeben hat, der Gemeinschaft der Schwulen, Lesben und Transgender zu vermitteln, dass man ihre Sorgen ernst nimmt. Zum Beispiel sieht ein breit angelegtes Reformprojekt des Innenministeriums auch ein Training für Polizisten im Bereich Menschenrechte vor.
Ein kleiner Rückblick vermittelt einen guten Eindruck vom Durcheinander um den CSD und das Verhalten der Polizei. In einem Brief vom 11. September 2001 an Lepa Mladjenovic vom autonomen Frauenzentrum in Belgrad, die zu den Organisatoren des CSD im letzten Sommer gehörte, erwähnte der Generalmajor Bosko Buha vom Innenministerium eine große Anzahl von Briefen aus dem Ausland, in denen nach den Schutzmaßnahmen gefragt wurde, die von der Polizei gegen die Angreifer unternommen wurden. Er äußerte "wir hoffen, dass in der Zukunft Versammlungen ohne Zwischenfälle ablaufen" und versicherte "wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Teilnehmer der Veranstaltung vor jeder Art von Gewalt vollständig zu schützen."
In einem Antwortbrief zweifelte Frau Mladjenovic die Behauptung von Herrn Buha stark an, dass die Beschäftigten des Innenministeriums alle nötigen Maßnahmen unternommen hätten, um die Versammlung zu schützen. Sie erzählte: "viele von uns sind Zeugen oder selber Opfer der Zwischenfälle, die direkt aufgrund der inadäquaten polizeilichen Aktion geschahen. Lasst uns daran erinnern, dass wir die Polizei tage im Voraus gewarnt hatten, da es Berichte über extremistischen Gruppen gab, die eine gewaltsame Gegendemonstration planen würden."
"Wir gehen davon aus, dass die Ineffizienz der Polizei auf tief verwurzelte Vorurteile und Intoleranz gegenüber sexuellen Minderheiten basiert. Wir haben zahlreiche homophobe und diskriminierende Aussagen von denen gesammelt, die an der Veranstaltung teilnahmen." Frau Mladjenovic erinnerte Herrn Buha an seine eigene Aussage: "Unsere Gesellschaft im Ganzen ist nicht erwachsen genug für diesen Ausdruck der Unterschiedlichkeit."
In Antwortbriefen ans Ausland schrieb Ivan Djordejevic, der Verwaltungsleiter des Innenministeriums, dass "eine Untersuchung der offiziellen Aufzeichnungen zeigt, dass ungefähr 500 Bürger mit sichtbar getragenen Symbolen einer extrem-rechts-orientierten Partei (Serbian Radical Party), begleitet von Fans des städtischen Fußballvereins (Delije) und einer informellen Gruppe von Skinheads, 20 Teilnehmer des Pride Day auf dem Platz der Republik in Belgrad, körperlich angegriffen haben."
Obwohl bereits zahlreiche Protestbriefe geschickt wurden, bitten wir die Leser, das Innenministerium anzuschreiben, und die aktuellen Aussagen von Dusan Mihajlovic anzuprangern.
Während des Zwischenfalls wurden sechs Menschen und acht Polizisten verletzt. 31 Angreifer, davon neun Minderjährige, wurden festgenommen. Bis jetzt sind insgesamt 38 Erwachsene, davon 10 Minderjährig wegen öffentlicher Störung angeklagt. Fünf Angreifer wurden zu 10 - 20 Tagen Haft verurteilt, vier bekamen eine Geldstrafe und 22 wurden entlassen, wobei nach 17 noch weiter ermittelt wird.
Das Bewußtsein um die Menschenrechtsverletzungen an die LGBTs in Serbien hat in der Zwischenzeit zugenommen, so fand am 12. Januar 2002 in Berlin eine sehr erfolgreiche Spendenaktion zugunsten der CSD-Organisatoren statt. Zusammen mit dem SO36, der Siegessäule und Berliner Künstlern u.a. die Geschwister Pfister, Cora Frost, Irmgard Knef, Annette Berr und Gloria Viagra gaben Malediva im SO36 ein Benefizkonzert.
Bitte drängen sie in Ihren Briefen darauf, dass die Polizei die Menschenrechte aller Bürger von Serbien beschützt.
Die Adresse lautet:
Ministry of Internal Affairs / Ministrastvo unutrasnjih poslova
Nemanjina 11
11 000 Beograd, Yugoslavia
Michèle Bonnarens
Übers.: Gerrit Woltemath / Eva Gundermann