UA-Nummer: UA-059/2020
AI Index: AMR 51/2150/2020
Sachlage
Kelly Gonzalez Aguilar (Aktenzeichen der US-Einwanderungsbehörde: A# 206-674-703) ist eine asylsuchende Transfrau aus Honduras. Sie wird seit über zweieinhalb Jahren in einer Hafteinrichtung der US-Einwanderungsbehörde festgehalten.
Kelly Gonzalez Aguilar und andere Inhaftierte sind während der COVID-19-Pandemie besonders gefährdet. Amnesty International liegen Schilderungen von Inhaftierten derselben Hafteinrichtung vor, in der auch Kelly Gonzalez Aguilar festgehalten wird. Die Bedingungen werden als gefährlich beschrieben, weil die Behörden keine Handdesinfektionsmittel oder Gesichtsschutzmasken zur Verfügung stellen, obwohl die Insass_innen sich nicht an den vorgeschriebenen Mindestabstand halten können.
Da die Behörden für die Gesundheit und Sicherheit der Migrant_innen und Asylsuchenden in Hafteinrichtungen verantwortlich sind, müssen sie alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Kelly Gonzalez Aguilar und andere Inhaftierte vor dem Corona-Virus bzw. COVID-19 zu schützen.
Hintergrundinformation
Während ihrer zweieinhalb jährigen Haft hat Kelly Gonzalez Aguilar aufgrund ihrer Geschlechtsidentität mehrere Monate in Einzelhaft verbracht. Bislang hat man ihr noch keine Anhörung zu einer möglichen Freilassung aus der Hafteinrichtung unter Auflagen gewährt. Zahlreiche Anträge auf eine Freilassung aus humanitären Gründen sind abgelehnt worden. Da Kelly Gonzalez Aguilar über ein Netzwerk von Menschen verfügt, die sie aufnehmen würden, gibt es keinen Grund, der gegen eine Freilassung sprechen würde.
Kelly Gonzalez Aguilar möchte nichts weiter, als in Sicherheit und ohne Angst zu leben. Es gibt viele weitere transgeschlechtliche Menschen, die wie Kelly unrechtmäßig in Einwanderungseinrichtungen inhaftiert sind, während sie auf die Entscheidung in ihrem Asylverfahren warten. In den Hafteinrichtungen erleben sie aufgrund ihrer Geschlechtsidentität häufig eine unmenschliche Behandlung. Die USA verfügen über das größte Einwanderungshaftsystem der Welt. Durchschnittlich befinden sich pro Tag 40.000 Migrant_innen und Asylsuchende in den mehr als 200 Einwanderungshafteinrichtungen des Landes (Stand Anfang 2020). Die dort Inhaftierten sind einem erhöhten Risiko durch COVID-19 ausgesetzt, da die bestätigten Zahlen der Infizierten in den USA exponentiell steigen.
Amnesty International liegen übereinstimmende und erschreckende Berichte von Insass_innen der Einwanderungshafteinrichtungen über die dortigen Haftbedingungen vor. Sie zeigen, dass Personen mit HIV-Infektionen oder Vorerkrankungen in besonderer Gefahr sind, an COVID-19 zu erkranken bzw. zu sterben.
Mitarbeiter_innen des Heimatschutzministeriums (DHS) und der US-Einwanderungsbehörde (ICE) haben bislang keine angemessenen Schutzmaßnahmen ergriffen. Dazu gehören Seife und Desinfektionsmittel in den Hafteinrichtungen bereitzustellen, Möglichkeiten, die vorgeschriebenen Abstandsregelungen einzuhalten und die adäquate gesundheitliche Versorgung derjenigen, die COVID-19-Symptome aufweisen.
Um schnellstmöglich die Ausbreitung von COVID-19 aufzuhalten und Tausende vermeidbare Todesfälle zu verhindern, müssen die Einwanderungsbehörden dringend die Zahl der Insass_innen der Einwanderungshafteinrichtungen auf ein absolutes Minimum reduzieren. Dabei sollte die ICE mit höchster Priorität Alternativen für die Inhaftierung schaffen und diejenigen aus humanitären Gründen aus der Haft entlassen, die älter sind, an anderen Erkrankungen leiden oder bei denen andere Risikofaktoren vorliegen, wenn sie an COVID-19 erkranken. Zudem sollten alle Familien umgehend freigelassen werden, weil es nie im Interesse des Kindeswohls ist, aufgrund des Einwanderungsstatus inhaftiert zu sein. Auch sollten Kinder nicht von ihren Eltern bzw. anderen Erziehungsberechtigten oder Bezugspersonen getrennt werden.
Die Inhaftierung von Asylsuchenden sollte immer nur als letztes Mittel angewandt werden, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft und im Einzelfall als nicht angemessen beurteilt wurden. Völkerrechtlich gesehen gilt es als willkürliche Inhaftierung, wenn Asylsuchende und andere Migrant_innen lediglich auf der Grundlage ihres Migrationsstatus inhaftiert werden. Laut Angaben des UN-Sonderberichterstatters über Folter kann diese Art willkürlicher Inhaftierung von Asylsuchenden „sehr schnell, wenn nicht gar sofort“ als Misshandlung betrachtet werden, wenn es sich bei den Betroffenen um Personen handelt, die besonders schutzbedürftig sind. Hierzu zählen insbesondere Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Erkrankungen und gesellschaftliche Minderheiten wie z. B. LGBTI.