Demonstration von Amnesty-Aktivist_innen in Tunesien: Die Verfassung muss grundlegende Menschenrechte garantieren
Demonstration von Amnesty-Aktivist_innen in Tunesien: Die Verfassung muss grundlegende Menschenrechte garantieren © Amnesty International

Aktionen | Tunesien Urgent Action: Wegen Homosexualität ins Gefängnis

In Tunesien sind am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, sechs Männer homosexueller Handlungen für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

UA-298/2015
Index: MDE 30/3128/2015

23. Dezember 2015

SECHS MÄNNER

Am 2. Dezember wurden auf einer Party in der Stadt Kairouan sechs Männer festgenommen. Sie wurden am 10. Dezember vor Gericht gestellt, für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt - die Höchststrafe, die Paragraf 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs für den "Straftatbestand" der Homosexualität vorsieht. Fünf der sechs Männer hatten keinen Rechtsbeistand.

Nachdem sie einen Tipp aus der Nachbarschaft erhalten hatte, stürmte die Polizei ein Haus, in dem gerade eine Party stattfand, und nahm sechs Männer fest. Die Festgenommenen wurden am folgenden Tag vor Gericht gestellt und mussten sich einer Analuntersuchung unterziehen, um zu "beweisen", dass die Anklage, homosexuelle Handlungen begangen zu haben, gerechtfertigt war. Am 10. Dezember befand das Gericht der ersten Instanz in Kairouan die Männer für schuldig und verurteilte sie zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe. Einer der Männer erhielt eine zusätzliche sechsmonatige Haftstrafe wegen "Unsittlichkeit", weil die Polizei ein pornografisches Video auf seinem Computer gefunden hatte.

Auf der Grundlage der Paragrafen 5 und 22 werden die Verurteilten nach Verbüßen ihrer Haftstrafen fünf Jahre lang aus Kairouan verbannt. Derart harte Strafen sind laut Angaben des Anwalts einer der Männer in den vergangenen Jahren nur selten verhängt worden.

Amnesty International ist der Auffassung, dass die Inhaftierung einer Person aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen zwischen Erwachsenen eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt. Jede Person, die auf dieser Grundlage inhaftiert ist, wird als gewaltlose politische Gefangene betrachtet und muss sofort und bedingungslos freigelassen werden.

SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte sprechen Sie sich dafür aus, dass das am 10. Dezember gegen sechs Männer wegen homosexueller Handlungen verhängte Urteil aufgehoben wird.
  • Zudem bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass die Männer sofort und bedingungslos freigelassen werden.
  • Bitte heben sie Paragraf 230 des Strafgesetzbuchs auf, der gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellt.

APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Farhat Horchani
31, boulevard Bab Bnet
1006 Tunis
TUNESIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 216) 71 56 18 04
E-Mail: <link mju@ministeres.tn>mju@ministeres.tn</link>

PRÄSIDENT
Béji Caïd Essebsi
Presidential Palace
Carthage, Tunis
TUNESIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 216) 71 744 721
E-Mail: <link contact@carthage.tn>contact@carthage.tn</link>

KOPIEN AN
PARLAMENTSSPRECHER
President Mohamed Naceur
Assembly of the Representatives of the People
Bardo 2000
Tunis
TUNESIEN
Fax: (00 216) 71 514 608

BOTSCHAFT DER TUNESISCHEN REPUBLIK
S.E. Herrn Elyes Kasri
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 06 83
E-Mail: <link at.berlin@tunesien.tn>at.berlin@tunesien.tn</link>

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Februar 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International hat Kenntnis von Vorfällen, die belegen, dass die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen auf der Grundlage von Paragraf 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs Gewalt gegen Schwule, Lesben, Transgeschlechtliche und Intersexuelle in Tunesien fördert. So entsteht ein gesellschaftliches Klima, in dem homophobe und transphobe Verbrechen akzeptiert werden. Das führt dazu, dass Überlebende von derartigen Verbrechen diese nicht zur Anzeige bringen, weil sie Angst vor Verfolgung haben. Männer, denen Homosexualität zur Last gelegt wird, werden in Tunesien häufig ohne Belege für homosexuelle Beziehungen festgenommen. Die meisten Festnahmen erfolgen aufgrund von Klischeevorstellungen, wie Aussehen oder Verhalten, wobei homosexuelle Männer, die als "verweichlicht" gelten, und Transgender-Frauen am häufigsten zur Zielscheibe der Behörden werden.

Männer, denen homosexuelle Handlungen zur Last gelegt werden, müssen sich routinemäßig ärztlichen Analuntersuchungen unterziehen. Diese Untersuchungen werden häufig von Richter_innen angeordnet, um einen vermeintlichen "Beweis" für Analsex zu liefern. Es gibt jedoch keine wissenschaftliche Grundlage für derartige Analuntersuchungen. Obwohl die Straftatverdächtigen sich theoretisch weigern können, sich einer solchen Untersuchung zu unterziehen, kennen nach Aussagen von Aktivist_innen die meisten Männer dieses Recht nicht und fühlen sich unter Druck, einer Untersuchung zustimmen zu müssen. Sie werden zudem häufig von der Polizei eingeschüchtert, die behauptet, eine Weigerung könnte als Beweis gegen die Beschuldigten bewertet werden. Gegen den Willen der Betroffenen durchgeführte Untersuchungen im Analbereich verstoßen gegen das im Völkerrecht festgeschriebene absolute Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlungen oder Strafen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte bewertet und überwacht, hat bestätigt, dass Staaten die Verpflichtung haben, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität (Artikel 2 und 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte) zu verbieten. Zudem müssen die Vertragsstaaten, zu denen auch Tunesien gehört, das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 19) und das Recht auf Schutz vor willkürlichen Eingriffen in das Privatleben (Artikel 17) sowie das Recht auf Gewissensfreiheit (Artikel 18) respektieren.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Tunisian authorities to quash the conviction of the six men jailed on 10 December for "sodomy".
  • Calling on them to release the six men immediately and unconditionally.
  • Calling on them to repeal Article 230 of the Penal Code which criminalizes consensual same-sex sexual relations.

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