Aktionen | Usbekistan Usbekistan - drohende Folter

Ruslan Scharipow, Journalist

Der Journalist und Menschenrechtsverteidiger Ruslan Scharipow [englische Transkription: Ruslan Sharipov] wurde am 13. August 2003 in einem unfairen Prozess in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen, darunter auch die Anklage wegen Homosexualität und wegen sexueller Kontakte zu Minderjährigen. Wie es heißt, soll er zu einem „Schuldeingeständnis“ genötigt worden sein. Das Gericht verhängte eine fünfeinhalbjährige Haftstrafe gegen ihn. Ruslan Scharipow ist im Gefängnis in Gefahr, von Justizvollzugsbeamten oder von Mitinsassen misshandelt oder gefoltert zu werden.

Am 8. August 2003 hat sich Ruslan Scharipow vor Gericht schuldig im Sinne aller Anklagepunkte einschließlich § 128 (sexuelle Kontakte mit Minderjährigen) bekannt. Er schwor außerdem allen seinen regierungskritischen Artikeln ab, die von 2001 bis Mai 2003 veröffentlicht worden waren, und bat den usbekischen Staatspräsidenten sowie die beiden Beamten der Abteilung für innere Sicherheit zweier Bezirke um Verzeihung.

Zwar fand der Prozess vor dem Bezirksgericht von Mirso Ulugbek [Mirzo Ulugbek] wegen der mutmaßlichen Sexualdelikte unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, aber der Vorsitzende Richter gab zunächst dem Antrag des Angeklagten statt, seine Mutter, seinem Rechtsanwalt und seinem Pflichtverteidiger Zutritt zum Gerichtssaal zu gewähren. Nach seinem „Geständnis“ verzichtete Ruslan Scharipow aber auf beide Anwälte und bat darum, seiner Mutter von der Verhandlung auszuschließen. Deshalb wurde er im weiteren Verfahren von keinem Rechtsbeistand vertreten.

Nach Aussagen der Verteidiger von Ruslan Scharipow hatte ihr Mandant vom Prozessbeginn am 23. Juli 2003 an bis zu seinem zweiten Auftreten vor Gericht am 8. August 2003 stets seine Unschuld beteuert. Er soll seinen Anwälten gesagt haben, dass er zu dem „Geständnis“ gezwungen worden war und er zum Wohle seiner eigenen Sicherheit und der seiner Mutter und seiner Anwälte diese Aussagen vor Gericht gemacht habe. Zwar konnten die Anwälte keine sichtbaren Spuren von Misshandlungen oder Folter bei dem Angeklagten erkennen, aber es wird befürchtet, dass Ruslan Scharipow während der dreitägigen Prozessunterbrechung vor dem 8. August 2003 von Polizeibeamten psychologisch derart unter Druck gesetzt und möglicherweise auch mittels körperlicher Gewalt dazu gebracht wurde, ein „Geständnis“ abzulegen und auf seine Verteidiger vor Gericht zu verzichten.

In seinem schriftlichen Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof vom 16. Juli 2003, das erst am 12. August 2003 veröffentlicht wurde, hatte Ruslan Scharipow mit Nachdruck jegliche sexuelle Kontakte mit den angeblichen Opfern von sich gewiesen. Außerdem hatte er in dem Schreiben dargelegt, dass der Fall gegen ihn von der Abteilung für innere Sicherheit des Bezirks Mirso Ulugbek konstruiert worden war, um ihn für seine kritische Berichterstattung als Korrespondent der russischen Nachrichtenagentur PRIMA sowie für seine Aktivitäten als Vorsitzender der nicht registrierten Menschenrechtsorganisation „Graschdanskoje Sodejstwje“ [Grazhdanskoe Sodeystvye] zu bestrafen. Weiter führte er in seinem Schreiben an, dass die Staatsanwaltschaft die nach der Festnahme durchgeführten Befunde der Gerichtsmedizin, die ihn und die angeblichen Opfer entlasteten, vorsätzlich ignoriert hatte.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Ruslan Scharipow war am 26. Mai 2003 von der Polizei festgenommen und wegen Homosexualität ($ 120 des usbekischen Strafgesetzbuches) angeklagt erhoben. Später hat man außerdem Anklage wegen der Anstiftung von Minderjährigen zu antisozialem Verhalten ($ 127) und sexueller Kontakte zu Minderjährigen (§ 128) gegen ihn erhoben. Ruslan Scharipow hat eine Reihe von Artikeln über Folterungen und Misshandlungen sowie die Drangsalierung von Menschenrechtlern durch usbekische Polizisten veröffentlicht. Er hat dabei mit mehreren internationalen Menschenrechtsorganisationen zusammengearbeitet. Der Reporter war bereits in der Vergangenheit inhaftiert und wegen seiner journalistischen Tätigkeit und seines Menschenrechtsengagements vernommen worden. Ruslan Scharipow bekennt sich seit Jahren offen zu seiner Bisexualität, hat aber gleichzeitig bestritten, homosexuelle Beziehungen in Usbekistan gehabt zu haben.

Laut Paragraph 120 des usbekischen Strafgesetzbuches von 1995 kann die „gewaltfreie Befriedigung eines Sexualtriebes von einem Mann mit einem Mann“ mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Nach Kenntnis von amnesty international ist dieser Straftatbestand in den vergangenen Jahren nicht angewandt worden. 

EMPFOHLENE AKTIONEN: 

Schreiben Sie bitte weitere Telefaxe, E-Mails oder Luftpostbriefe, in denen Sie

  • sich um die Sicherheit des Journalisten und Menschenrechtsverteidigers Ruslan Scharipow besorgt zeigen, der am 13. August 2003 unter anderem wegen sexueller Kontakte zu Minderjährigen verurteilt wurde, und die Befürchtung äußern, dass es sich dabei um eine gegen ihn konstruierte Anklage handelt, die dazu dienen soll, ihn wegen seiner journalistischen Aktivitäten und seines Menschenrechtsengagements zu bestrafen;
  • die Behörden auffordern, umgehend eine unparteiische Untersuchung der Vorwürfe einzuleiten, wonach Ruslan Scharipow zum „Geständnis“ im Sinne der Anklage genötigt wurde;
  • darauf dringen, dass seine Sicherheit gewährleistet und er vor Misshandlungen und Folterungen sowohl durch Polizei- und Vollzugsbeamte als auch durch Mitinsassen geschützt wird;
  • beanstanden, dass der Prozess den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren nicht entsprach.
     

APPELLE AN:

den Generalstaatsanwalt, Raschidschon Hamidowitsch Kodirow:
Respublika Uzbekistan, 70000 g. Tashkent, ul. Yahyo Gulomov, 66, Prokuratura Respubliki Uzbekistan, Generalnomu Prokuroru Kodirovu R. Kh., REPUBLIK USBEKISTAN
Telefax: (00 998) 71-133 3917
E-Mail: prokuratura@lawyer.com

den Innenminister, Sakirsan Almatowitsch Almatow:
Respublika Uzbekistan, 700029 g. Tashkent, ul. Novruz, 1, Ministerstvo Vnutrennikh Del Respubliki Usbekistan, Ministru Almatovu Z. A., REPUBLIK USBEKISTAN
Telefax: (00 998) 71-133 8934

KOPIEN AN:

die Beauftragte für Menschenrechtsfragen im Parlament, Frau Sajora Raschidowa:
Respublika Uzbekistan, 700035 g. Tashkent, ul. Xalqlar Do’stligi, 1, Oliy Majlis Respubliki Uzbekistan, Upolnomochennoy po pravam cheloveka pri Oliy Majlis, Rashidovoy S., REPUBLIK USBEKISTAN
Telefax: (00 998) 71-139 8555
E-Mail: office@ombudsman.gov.uz

Kanzlei der Botschaft der Republik Usbekistan, Perleberger Str. 62, 10559 Berlin
(S.E. Herrn Ison Mustafoev)
Telefax: 030-3940 9862
E-Mail: botschaft@uzbekistan.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Usbekisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. September 2003 keine Appelle mehr zu verschicken.

UA-180/2003-1
Index: EUR 62/010/2003
Datum: 13. August 2003