Angehörige der LGBTI-Community in Aserbaidschan
28. September 2017
UA-223/2017
EUR 55/7176/2017
Sachlage
Mehr als 100 Personen wurden am 22. September von der Polizei an öffentlichen Orten zusammengetrieben und festgenommen. Einige von ihnen wurden wieder freigelassen, doch mindestens 48 Personen - deren Identität Amnesty International bekannt ist - wurden zu einer Verwaltungshaft von zehn bis 20 Tagen verurteilt. Sie wurden beschuldigt, sich den rechtmäßigen Anordnungen der Polizei widersetzt zu haben und ohne weitere Beweise auf der Grundlage der Polizeiaussagen für schuldig befunden. Während der summarischen Anhörung wurde den Inhaftierten das Recht auf ein faires Verfahren verweigert, da sie keinen Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl erhielten, sondern stattdessen mit staatlich ernannten Rechtsbeiständen vorliebnehmen mussten. Nach eigenen Angaben wurden die Inhaftierten im Gewahrsam von der Polizei geschlagen und waren weiteren Misshandlungen ausgesetzt.
Internationale Medien zitierten einen Vertreter des aserbaidschanischen Innenministeriums, der die Polizeirazzia mit dem Argument rechtfertigte, sie sei aufgrund zahlreicher Beschwerden durch Anwohner_innen erfolgt, die LGBTI-Personen hätten "andere in ihrem Umfeld nicht respektiert". Ihm zufolge habe die Polizei sich nur um die LGBTI-Personen gekümmert, die keine Anstalten gemacht hätten, ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in der Öffentlichkeit zu verbergen. Des Weiteren fügte er hinzu, dass viele der Inhaftierten HIV-positiv seien oder unter Geschlechtskrankheiten litten und damit eine Gefahr für die Gesundheit ihrer Mitmenschen darstellten. Wie es scheint, richtete sich die Razzia ausschließlich gegen LGBTI-Personen und stellte einen bewussten Einschüchterungsversuch der Behörden gegen LGBTI-Personen in Aserbaidschan dar.
Hintergrundinformation
Einvernehmlicher Sex zwischen erwachsenen Männern ist seit 2000 in Aserbaidschan kein Straftatbestand mehr. Dennoch ist die Ablehnung von LGBTI-Personen in Aserbaidschan weit verbreitet. Das insgesamt harte Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung sowie Homophobie und Transphobie in der Gesellschaft sorgen dafür, dass es in Aserbaidschan keine erkennbare LGBTI-Bewegung gibt.
Amnesty International hat in den letzten Jahren eine wachsende Zahl zunehmend schwerer werdender Fälle von Schikanierung, Einschüchterung und Verfolgung durch die aserbaidschanischen Behörden dokumentiert. Die endlose Kette von Festnahmen und unterschiedlichen Formen der Schikanierung bekannter Menschenrechtsverteidiger_innen und anderer Aktivist_innen der Zivilgesellschaft im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit hat die Zivilgesellschaft in Aserbaidschan zum Erliegen gebracht.