AMNESTY INTERNATIONAL
„Diese öffentliche Auspeitschung zweier junger Männer nach dem islamischen Strafgesetzbuch von Aceh wegen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs ist ein beunruhigender Akt staatlich sanktionierter Diskriminierung und Grausamkeit. Diese Strafe ist eine erschreckende Erinnerung an die institutionalisierte Stigmatisierung und Misshandlung, denen LGBTQ+-Personen in Aceh ausgesetzt sind.
Intime Beziehungen zwischen einwilligenden Erwachsenen sollten niemals unter Strafe gestellt werden. Strafen wie Auspeitschungen sind grausam, unmenschlich und erniedrigend und können nach internationalem Recht als Folter gelten.
Wir fordern die Behörden von Aceh und die indonesische Zentralregierung auf, diese erniedrigenden Praktiken unverzüglich einzustellen und alle diskriminierenden Verordnungen aufzuheben, die solche Verstöße zulassen. Die regionale Autonomie von Aceh darf nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen.
Indonesien muss als Mitglied des UN-Menschenrechtsrats und Vertragsstaat des Übereinkommens gegen Folter seine Gesetze – auch in Aceh – mit seinen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zur Gleichheit und Nichtdiskriminierung in Einklang bringen. Die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen und körperliche Züchtigung haben in einer gerechten und humanen Gesellschaft keinen Platz.“
Hintergrund
Am 26. August wurden zwei Männer im Alter von 20 und 21 Jahren in der Stadt Banda Aceh öffentlich mit jeweils 76 Peitschenhieben bestraft, weil sie einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen hatten.
Die Richter des Scharia-Gerichts in Banda Aceh hatten sie zuvor für schuldig befunden, gegen das islamische Strafgesetzbuch verstoßen zu haben, das einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen verbietet.
Sie wurden festgenommen, nachdem sie am 16. Juni angeblich in einer öffentlichen Toilette im Taman Sari Park sexuelle Handlungen vorgenommen hatten.
Die Angeklagten, die als QH und RA identifiziert wurden, blieben während des Gerichtsverfahrens, das hinter verschlossenen Türen stattfand, in Haft.
Bürgerfestnahmen sind in Aceh aufgrund der Einführung der Scharia, die es den Einwohner*innen erlaubt, Personen zur Untersuchung an die Scharia-Polizei zu übergeben, weit verbreitet. Aceh ist die einzige Provinz Indonesiens, in der einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe stehen, da sie aufgrund ihres Sonderstatus seit 2015 das islamische Strafgesetzbuch anwenden darf.
Die Scharia-Satzungen sind in Aceh seit der Verabschiedung des Sonderautonomiegesetzes der Provinz im Jahr 2001 in Kraft und werden von islamischen Gerichten durchgesetzt.
Diese Gesetze sehen in einigen Fällen bis zu 200 Peitschenhiebe als Strafe für Vergehen vor, darunter einvernehmliche Intimität oder sexuelle Aktivitäten unverheirateter Paare, einvernehmlicher Sex außerhalb der Ehe, gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen, der Konsum und Verkauf von Alkohol sowie Glücksspiel.
Im Februar wurden zwei Studierende in Banda Aceh wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen ausgepeitscht.
Nach internationalem Menschenrecht sind alle Formen körperlicher Bestrafung verboten, da sie grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafen darstellen und Folter gleichkommen können. Der UN-Menschenrechtsausschuss und andere Menschenrechtsexperten haben Bedenken hinsichtlich Gesetzen geäußert, die „Ehebruch“ oder andere einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe unter Strafe stellen, da sie das Recht auf Privatsphäre verletzen.