Polizeiaufmarsch beim Verbot des Istanbul Pride 2016
Polizeiaufmarsch beim Verbot des Istanbul Pride 2016 – Foto: © Begum Basdas

Meldungen | Türkei Türkei: Kampf um Istanbuler Pride unterstreicht Bedrohung der LGBTI-Rechte

LGBTI-Personen in der Türkei sehen sich in dieser Pride-Saison mit einem dreisten und sich verschärfenden Vorgehen konfrontiert, so Amnesty International heute, am Vorabend der Istanbul Pride und der Izmir Pride, die am Sonntag trotz der erwarteten Versuche, sie zu verbieten, stattfinden sollen.

AMNESTY INTERNATIONAL

PRESSEMITTEILUNG
 

Diskriminierende Äußerungen von Politiker*innen, einschließlich hochrangiger Regierungsbeamter, gegenüber LGBTI-Personen sowohl vor als auch nach den jüngsten Wahlen in der Türkei wurden von Einschränkungen und Verhaftungen im ganzen Land begleitet, während der Pride-Monat in vollem Gange ist.

„Während Tausende in Istanbul und Izmir auf die Straße gehen, um sich zu wehren, riskieren sie Tränengas und Gummigeschosse. Die Behörden sollten den LGBTI Pride Märsche in der Türkei erlauben, sicher und ohne Einmischung stattzufinden“, sagte Nils Muižnieks, Europa-Direktor von Amnesty International.

„Durch die Verschärfung der Anti-LGBTI-Rhetorik hat die Regierung dazu beigetragen, Vorurteile zu schüren und Anti-LGBTI-Gruppen in der Türkei zu ermutigen, von denen einige zu Gewalt gegen LGBTI-Gemeinschaften aufgerufen haben. Unter dem Vorwand, die Familienwerte zu schützen, verweigern die Behörden LGBTI-Personen das Recht, frei zu leben.“

Seit 2015 werden Pride-Veranstaltungen in der Türkei systematisch verboten. In dieser Pride-Saison sind die Behörden sogar gegen kleinere Veranstaltungen wie Picknicks und Filmvorführungen vorgegangen.

Zwar wurde noch kein offizielles Verbot für die Istanbul Pride oder die Izmir Pride ausgesprochen, aber die Organisator*innen rechnen damit, dass es erlassen wird oder dass die Demonstrationen unterbunden werden. Auch ohne offizielles Verbot wurden solche friedlichen Aktivitäten bereits unter dem Vorwand des Schutzes der öffentlichen Ordnung unterbrochen, wobei die Behörden willkürliche Verhaftungen vornahmen.

Am 18. Juni wurde die trans* Pride in Istanbul von der Polizei blockiert. Als die Teilnehmer*innen dennoch versuchten zu demonstrieren, wurden 10 Personen von der Polizei festgenommen, die bei ihrer Festnahme übermäßige Gewalt anwandte.

In den letzten Wochen wurden landesweit mindestens 27 LGBTI-Aktivist*innen festgenommen. Am 9. Juni wurden 15 Studierende der Technischen Universität des Nahen Ostens festgenommen, nachdem sie friedlich demonstriert und damit gegen das de facto bestehende Verbot aller LGBTI-Veranstaltungen in Ankara verstoßen hatten.

In einer Rede vor den Wahlen erklärte Präsident Erdoğan: „LGBTI ist ein Gift, das in die Institution der Familie injiziert wurde. Es ist uns nicht möglich, dieses Gift zu akzeptieren.“ In seiner Siegesrede sagte er: „Niemand kann gegen die Familie sprechen“.

Anfang des Jahres schlug die Regierung Änderungen an der türkischen Verfassung vor, um „Familie“ als „die Verbindung eines Mannes mit einer Frau“ neu zu definieren, was die Feindseligkeit gegenüber LGBTI-Personen verschärfte. Aktivist*innen für LGBTI-Rechte befürchten außerdem, dass die Änderung das Land auf eine schleichende Entwicklung hin zur Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und zum Verbot von LGBTI-Organisationen bringt.

„Das harte Durchgreifen bei Pride-Veranstaltungen hat nichts mit Sicherheitsbedenken oder der öffentlichen Ordnung zu tun, sondern mit einer zunehmend LGBTI-feindlichen Agenda", so Nils Muižnieks.

„Trotz der Einschränkungen und des immer kleiner werdenden Raums für LGBTI-Personen in der Türkei werden die Pride-Veranstaltungen stattfinden, obwohl es zu staatlichen Schikanen und Einschüchterungen kommen kann. Wir bieten ihnen weltweit unsere Solidarität an.“

 

Hintergrund

Die Pride-Demonstrationen in Istanbul und Izmir werden am 25. Juni stattfinden. Ein Team von Amnesty International wird sie beobachten.

Amnesty International hat eine weltweite Kampagne zum Schutz des Protests gestartet, um Solidarität mit der Pride in der Türkei zu zeigen.

Die Istanbul Pride wird seit 2003 gefeiert, ist aber seit 2015 von den Behörden unrechtmäßig und willkürlich verboten worden, was einen Verstoß gegen das Recht auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung darstellt. Friedliche Demonstrant*innen wurden von der Polizei unrechtmäßig angegriffen und willkürlich inhaftiert.

LGBTI-Aktivist*innen in verschiedenen Städten des Landes in Mersin, Adana, Ankara und Eskisehir planen, trotz Verboten und Einschränkungen Pride-Veranstaltungen abzuhalten.

Länderarchiv: Türkei

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