Banda Aceh Stadt, Indonesien, © PBI – Foto: © PBI

Aktionen | Indonesien : Eilaktion: Scharia-Gesetz verabschiedet

Das Parlament der indonesischen Provinz Aceh hat ein Scharia-Gesetz verabschiedet, welches unter anderem gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen und einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe kriminalisieren würde. Den Betroffenen drohen bis zu 100 Stockschläge. Der Gouverneur von Aceh und die Zentralregierung können die Umsetzung des Gesetzes noch verhindern.

UA-238/2014-1
Index: ASA 21/029/20140
3. Oktober 2014

INDONESISCHE BEVÖLKERUNG

Am 27. September verabschiedete das Parlament von Aceh das islamische Strafgesetz für die Provinz Aceh (Qanun Hukum Jinayat) auf Grundlage der Scharia. Darin sind unter anderem bis zu 100 Stockschläge für gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen und vor- sowie außereheliche sexuelle Beziehungen ("Ehebruch") vorgesehen. Das Gesetz sieht die Prügelstrafe zudem für eine Reihe weiterer Vergehen vor, wie z. B. Alkoholkonsum, Glücksspiel, "Alleinsein mit einer oder einem Angehörigen des anderen Geschlechts, der oder die kein(e) Ehepartner_in oder Verwandte(r) ist" (khalwat), sexuelle Misshandlung, Vergewaltigung, außerehelicher Austausch von Zärtlichkeiten sowie Beschuldigung einer Person, Ehebruch begangen zu haben, ohne aber vier Zeugen vorweisen zu können. Es wird zudem befürchtet, dass die Vorschriften zur Beweislast in Fällen von Vergewaltigung und sexueller Misshandlung nicht den internationalen Standards entsprechen. Das islamische Strafgesetz der Provinz Aceh ist auf in der Provinz wohnhafte Muslime anwendbar. Jedoch könnten auch Nichtmuslime unter dem Gesetz verurteilt werden, wenn es um Vergehen geht, die nicht im indonesischen Strafgesetzbuch geregelt sind.

Das islamische Strafgesetz der Provinz Aceh wird nur dann der Zentralregierung zur Billigung vorgelegt, wenn der Gouverneur der Provinz es zuvor abzeichnet. Nach den gegenwärtigen Regelungen hat die Zentralregierung nach Vorlage des Gesetzes 60 Tage Zeit, eine Überarbeitung anzuordnen oder das Gesetz abzulehnen, falls es der indonesischen Verfassung oder anderen nationalen Gesetzen zuwiderläuft.

Die Prügelstrafe stellt eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe dar, die gegen das Völkerrecht verstößt, insbesondere gegen Artikel 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und die UN-Antifolterkonvention, deren Vertragsstaat Indonesien ist.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Als Teil des Dezentralisierungsprozesses, der 1999/2000 begann, und der besonderen Autonomieregelungen mit einigen Provinzen Indonesiens existieren vermehrt regionale Verordnungen und Gesetze zu einer Reihe von Themen, darunter Gesundheit, Bildung und Familienangelegenheiten. Gleichzeitig haben zahlreiche Provinz- und Regionalbehörden diese Autonomieregelungen dazu genutzt, Gesetze zu erlassen, die Frauen und religiöse Minderheiten diskriminieren. Die Legislative der Provinz Aceh hat nach der Verabschiedung des Besonderen Autonomiegesetzes der Provinz im Jahr 2001 eine Reihe von Verordnungen zur Einführung des Scharia-Rechts erlassen.

Das islamische Strafgesetzbuch der Provinz Aceh (Qanun Hukum Jinayat), das 2009 vom Parlament der Provinz verabschiedet wurde, sieht für "Ehebruch" den Tod durch Steinigung und für gleichgeschlechtlichen und vorehelichen Geschlechtsverkehr bis zu 100 Stockschläge vor. Der Gouverneur der Provinz weigerte sich jedoch, das Gesetzbuch anzuerkennen. Es wurde daher bisher nicht angewendet, auch aufgrund der heftigen Kritik auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Die Verurteilung zu Steinigung ist im aktuellen Gesetzestext nicht mehr vorhanden, die Prügelstrafe ist als Strafe jedoch weiterhin vorgesehen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss und der UN-Ausschuss gegen Folter haben alle Staaten ausdrücklich aufgefordert, die Prügelstrafe und andere körperliche Züchtigungsstrafen abzuschaffen. 2008 hat der Ausschuss gegen Folter Indonesien aufgefordert, alle nationalen und lokalen Gesetze, die die Anwendung von körperlichen Züchtigungsstrafen als strafrechtliche Sanktion erlauben, zu prüfen mit dem Ziel, solche Bestrafungen unverzüglich abzuschaffen. 2013 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Indonesien auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um körperlichen Züchtigungsstrafen ein Ende zu setzen und diejenigen Bestimmungen des Gesetzbuchs von Aceh aufzuheben, die eine Anwendung körperlicher Züchtigungsstrafen vorsehen. Die Prügelstrafe verstößt nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen die Menschenrechtsbestimmungen, die sowohl in der indonesischen Verfassung als auch im indonesischen Gesetz zu Menschenrechten von 1999 festgelegt sind.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat bereits mehrfach die Aufhebung von Gesetzen gefordert, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen kriminalisieren, da sie gegen die Rechte auf Privatsphäre und Nicht-Diskriminierung verstoßen. Der UN-Menschenrechtsausschuss und weitere Menschenrechtsorganisationen sind besorgt über Gesetze, die "Ehebruch" oder die Unterhaltung von außerehelichen sexuellen Beziehungen unter Strafe stellen, weil sie nicht nur das Recht auf Privatsphäre verletzen, sondern auch hauptsächlich Frauen betreffen und daher diskriminierend sind.

Die Menschenrechtsverpflichtungen der indonesischen Behörden gelten für alle Gesetze auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Daher muss die Zentralregierung sicherstellen, dass die Menschenrechte in allen Provinzen und autonomen Regionen unabhängig der internen Führungsstruktur geachtet werden. Gemäß dem Völkerrecht können Staaten nicht die Bestimmungen nationaler Gesetze als Begründung für die Missachtung ihrer internationalen Menschenrechtsverpflichtungen heranziehen.

SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, diejenigen Bestimmungen des Gesetzes aufzuheben oder zu überarbeiten, die die Menschenrechte verletzen.
  • Ich befürchte, dass das islamische Strafgesetz der Provinz Aceh die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Indonesiens missachten würde, insbesondere durch die Anwendung der Prügelstrafe, die eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe darstellt, und durch die Kriminalisierung von einvernehmlichen sexuellen Beziehungen, wodurch die Rechte auf Privatsphäre und Nicht-Diskriminierung verletzt werden.
  • Ich bitte Sie eindringlich, alle in den vergangenen zehn Jahren in Aceh erlassenen regionalen Vorschriften zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie internationalen Menschenrechtsnormen und -standards sowie den Bestimmungen der indonesischen Verfassung im Hinblick auf die Menschenrechte und dem Gesetz zu Menschenrechten von 1999 entsprechen.

APPELLE AN

GOUVERNEUR VON ACEH
Zaini Abdullah
Office of the Governor of Aceh
Jln. T. Nyak Arief No. 219
Banda Aceh 23121
INDONESIEN
(Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 62) 651 32386
E-Mail: <link pengelola@acehprov.go.id>pengelola@acehprov.go.id</link>

BEAUFTRAGTER FÜR REGIONALE AUTONOMIE
Djohermansyah Djohan
Ministry of Home Affairs
Jl. Medan Merdeka Utara No. 7
Jakarta Pusat 10110
INDONESIEN
(Anrede: Dear Director General / Sehr geehrter Herr Djohan)
Fax: (00 62) 21 385 1193
E-Mail: <link sapa@kemendagri.go.id>sapa@kemendagri.go.id</link>

KOPIEN AN

BEAUFTRAGTE FÜR MENSCHENRECHTE
Harkristuti Harkrisnowo
Ministry of Law and Human Rights
Jl. H.R. Rasuna Said Kav No. 4-5
Kuningan
Jakarta Selatan 12950
INDONESIEN
Fax: (00 62) 21 525 3095
E-Mail: <link rohumas@kemenkumham.go.id>rohumas@kemenkumham.go.id</link>

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDONESIEN
S. E. Herrn Fauzi Bowo
Lehrter Straße 16-17
10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142
E-Mail: <link info@indonesian-embassy.de>info@indonesian-embassy.de</link>

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Indonesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. November 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to repeal or revise these provisions of the draft bylaw, which violate human rights.
  • Expressing concern that the draft bylaw in Aceh would violate Indonesia's international human rights obligations, particularly by providing for caning, which is a cruel, inhuman and degrading punishment, and by criminalizing consensual sexual relations in violation of the rights to privacy and non-discrimination.
  • Calling on authorities both at Aceh and national level to undertake a review of all local regulations that have been put in place in the last decade in Aceh, to ensure that they are in full conformity with international human rights law and standards, as well as with human rights provisions set out in Indonesia's Constitution and the 1999 Law on Human Rights.

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