Banda Aceh Stadt, Indonesien, © PBI – Foto: © PBI

Aktionen | Indonesien : Eilaktion: Gesetzesentwurf gefährdet Menschenrechte

Die Regionalregierung der Provinz Aceh in Indonesien plant die Verabschiedung eines Schari'a-Gesetzes noch vor Ende September. Das Gesetz würde unter anderem gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen und einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe kriminalisieren. Bei Missachtung drohen den Betroffenen bis zu 100 Peitschenhiebe.

UA-238/2014
Index: ASA 21/028/2014
24. September 2014

Indonesische Bevölkerung

Die Regionalregierung der Provinz Aceh debattiert derzeit über einen Entwurf für ein islamisches Strafgesetz für die Provinz Aceh (Qanun Hukum Jinayat) auf Grundlage der Schari'a. Darin sind unter anderem bis zu 100 Peitschenhiebe für gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen und vor- sowie außereheliche sexuelle Beziehungen ("Ehebruch") vorgesehen. Für die Verhängung der Strafen wären islamische Gerichte zuständig. Berichten zufolge plant das Parlament der Provinz, das Gesetz noch vor Ende September zu verabschieden. Darin ist die Prügelstrafe zudem für eine Reihe weiterer Vergehen vorgesehen wie z. B. Alkoholkonsum, Glücksspiel, "Alleinsein mit einer oder einem Angehörigen des anderen Geschlechts, der oder die kein(e) Ehepartner_in oder Verwandte(r) ist" (khalwat), sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, außerehelicher Austausch von Zärtlichkeiten sowie Beschuldigung einer Person, Ehebruch begangen zu haben, ohne aber vier Zeugen vorweisen zu können. Dem Entwurf zufolge soll das islamische Strafgesetz der Provinz Aceh sowohl auf Muslime als auch auf Nichtmuslime anwendbar sein.

Die Prügelstrafe stellt eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe dar, die gegen das Völkerrecht verstößt, insbesondere gegen Artikel 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und die UN-Antifolterkonvention. Indonesien ist Vertragsstaat beider Übereinkommen. Den Opfern der Prügelstrafe werden Schmerzen, Angst und Erniedrigungen zugefügt und sie erleiden womöglich schwerwiegende Verletzungen.

Die Kriminalisierung von einvernehmlichen sexuellen Beziehungen verletzt das Recht auf Privatsphäre, das in Artikel 17 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte festgeschrieben ist. Gesetze, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellen, verstoßen gegen das Recht auf Nicht-Diskriminierung. Gleiches gilt für Gesetze gegen die Unterhaltung von außerehelichen sexuellen Beziehungen ("Ehebruch"), von denen hauptsächlich Frauen betroffen sind. Trotz ihrer Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte weigert sich die indonesische Zentralregierung, die im islamischen Strafgesetz von Aceh vorgesehenen Schari'a-Bestimmungen aufzuheben, welche die Menschenrechte verletzen, und argumentiert, dass diese Gesetze Teil der besonderen Autonomieregelung mit der Provinz sind.

SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die Bestimmungen des Gesetzesentwurfs zur Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen und außerehelicher sexueller Beziehungen aufzuheben oder zu überarbeiten, da sie die Menschenrechte verletzen.
  • Ich bin sehr bestürzt, dass der Gesetzesentwurf für das islamische Strafrecht in Aceh die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Indonesiens missachten würde, insbesondere durch die Anwendung der Prügelstrafe, die eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe darstellt, und durch die Kriminalisierung von einvernehmlichen sexuellen Beziehungen, wodurch die Rechte auf Privatsphäre und Nicht-Diskriminierung verletzt werden.
  • Ich bitte Sie eindringlich, alle in den vergangenen zehn Jahren in Aceh erlassenen regionalen Vorschriften zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie internationalen Menschenrechtsnormen und -standards sowie den Bestimmungen der indonesischen Verfassung im Hinblick auf die Menschenrechte und dem Gesetz zu Menschenrechten von 1999 entsprechen.

APPELLE AN

GOUVERNEUR VON ACEH
Zaini Abdullah
Office of the Governor of Aceh
Jln. T. Nyak Arief No. 219, Banda Aceh 23121
INDONESIEN
(Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 62) 651 32386
E-Mail: pengelola(at)acehprov.go.id

VORSITZENDER DES PARLAMENTS VON ACEH
Hasbi Abdullah
Secretariat of DPRA
Jl. TGK. H.M. Daud Beureuh, Banda Aceh 23121
INDONESIEN
(Anrede: Dear Hasbi Abdullah / Sehr geehrter Herr Abdullah)
Fax: (00 62) 651 21638
E-Mail: dpra(at)acehprov.go.id

KOPIEN AN

INNENMINISTER
Gamawan Fauzi
Ministry of Home Affairs
Jl. Medan Merdeka Utara No.7
Jakarta Pusat 10110
INDONESIEN
Fax: (00 62) 21 385 1193
E-Mail: pusdatinkomtel(at)kemendagri.go.id

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDONESIEN
S. E. Herrn Fauzi Bowo
Lehrter Straße 16-17
10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142
E-Mail: info(at)indonesian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Indonesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. November 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Als Teil des Dezentralisierungsprozesses, der 1999/2000 begann, und der besonderen Autonomieregelungen mit einigen Provinzen Indonesiens, existieren vermehrt regionale Verordnungen und Vorschriften zu einer Reihe von Themen, darunter Gesundheit, Bildung und Familienangelegenheiten. Gleichzeitig haben zahlreiche Provinz- und Regionalbehörden diese Autonomieregelungen dazu genutzt, Gesetze zu erlassen, die Frauen und religiöse Minderheiten diskriminieren. Die Legislative der Provinz Aceh hat nach der Verabschiedung des Besonderen Autonomiegesetzes der Provinz im Jahr 2001 eine Reihe von Verordnungen zur Einführung des Schari'a-Rechts erlassen.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Prügelstrafe von islamischen Gerichten für eine Reihe von Vergehen verhängt werden kann, darunter "Ehebruch", Alkoholkonsum, "Alleinsein mit einer oder einem Angehörigen des anderen Geschlechts, der oder die kein(e) Ehepartner_in oder Verwandte(r) ist" (khalwat), für das Essen oder Trinken von Nahrungsmitteln vor Sonnenuntergang durch eine muslimische Person im Fastenmonat Ramadan oder für das "Anstiften" einer anderen muslimischen Person, nicht am Ramadan teilzunehmen.

In den letzten vier Jahren wurde in der Provinz Aceh gegen mindestens 156 Personen die Prügelstrafe verhängt. 2010 erhielten mindestens 16 Personen Peitschenhiebe wegen Glücksspiel, khalwat, und des Verkaufens von Nahrungsmitteln während des Ramadan. 2011 waren es mindestens 72 Personen wegen Alkoholkonsum, Glücksspiel und khalwat. 2012 waren es mindestens 43 Personen wegen Glücksspiel und khalwat. 2013 waren es mindestens acht Personen wegen Glücksspiel. Im laufenden Jahr (Stand: 22. September 2014) haben bisher mindestens 17 Personen wegen Glücksspiel Peitschenhiebe erhalten.

Das islamische Strafgesetzbuch der Provinz Aceh (Qanun Hukum Jinayat), das 2009 vom Parlament der Provinz verabschiedet wurde, schreibt für "Ehebruch" den Tod durch Steinigung und für gleichgeschlechtlichen und vorehelichen Geschlechtsverkehr bis zu 100 Peitschenhiebe vor. Der Gouverneur der Provinz weigerte sich jedoch, das Gesetzbuch anzuerkennen. Es wurde daher bisher nicht angewendet, auch aufgrund der heftigen Kritik auf der regionalen, nationalen und internationalen Ebene. Die Verurteilung zu Steinigung ist im aktuellen Entwurf nicht mehr vorhanden, die Prügelstrafe ist als Strafe jedoch weiterhin vorgesehen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss und der UN-Ausschuss gegen Folter haben alle Staaten explizit aufgefordert, die Prügelstrafe und andere körperliche Züchtigungsstrafen abzuschaffen. 2008 hat der Ausschuss gegen Folter Indonesien ausdrücklich aufgefordert, alle nationalen und lokalen Vorschriften, die die Anwendung von körperlichen Züchtigungsstrafen als strafrechtliche Sanktion erlauben, zu prüfen mit dem Ziel, solche Bestrafungen unverzüglich abzuschaffen. 2013 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Indonesien auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um körperlichen Züchtigungsstrafen ein Ende zu setzen und die Bestimmungen des Gesetzbuchs von Aceh aufzuheben, die eine Anwendung körperlicher Züchtigungsstrafen vorsehen. Die Prügelstrafe verstößt nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen die Menschenrechtsbestimmungen, die sowohl in der indonesischen Verfassung als auch im indonesischen Gesetz zu Menschenrechten von 1999 festgelegt sind.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat bereits mehrfach die Aufhebung der Gesetze gefordert, die gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen kriminalisieren, da sie gegen die Rechte auf Privatsphäre und Nicht-Diskriminierung verstoßen. Der UN-Menschenrechtsausschuss und weitere Menschenrechtsorganisationen sind besorgt über Gesetze, die "Ehebruch" oder die Unterhaltung von außerehelichen sexuellen Beziehungen kriminalisieren, weil sie nicht nur das Recht auf Privatsphäre verletzen, sondern auch hauptsächlich Frauen betreffen und daher diskriminierend sind. Die Menschenrechtsverpflichtungen der indonesischen Behörden gelten für alle Gesetze auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene. Daher muss die Zentralregierung sicherstellen, dass die Menschenrechte in allen Provinzen und autonomen Regionen unabhängig der internen Führungsstruktur geachtet werden. Gemäß dem Völkerrecht können die Staaten nicht die Bestimmungen nationaler Gesetze als Begründung für die Missachtung ihrer internationalen Menschenrechtsverpflichtungen heranziehen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to repeal or revise these provisions of the draft bylaw, which violate human rights.
  • Expressing concern that the draft bylaw in Aceh would violate Indonesia's international human rights obligations, particularly by providing for caning, which is a cruel, inhuman and degrading punishment, and by criminalizing consensual sexual relations in violation of the rights to privacy and non-discrimination.
  • Calling on authorities both at Aceh and national level to undertake a review of all local regulations that have been put in place in the last decade in Aceh, to ensure that they are in full conformity with international human rights law and standards, as well as with human rights provisions set out in Indonesia's Constitution and the 1999 Law on Human Rights.

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