die 43-jährige Transfrau Alejandra aus El Salvador
die 43-jährige Transfrau Alejandra aus El Salvador © privat

Aktionen | El Salvador | USA : Inhaftierte Asylsuchende freilassen!

Alejandra, eine asylsuchende Transfrau, wird seit Dezember in einer Hafteinrichtung in Cibola im US-Bundesstaat New Mexico festgehalten. Sie und andere Transfrauen erhalten dort eigenen Angaben zufolge nur unzureichende Gesundheitsfürsorge. Aufgrund ihrer Geschlechtsidentität war Alejandra in ihrer Heimat El Salvador angegriffen und erpresst worden. Sie muss umgehend freigelassen werden, bis über ihren Asylantrag entschieden wurde.

Alejandra, 43-jährige asylsuchende Transfrau
UA-Nummer UA-108/2018
AI Index AMR 51/8514/2018

Sachlage

Alejandra (Aktenzeichen der US-Einwanderungsbehörde: A# 216-269-450) ist eine 43-jährige Transfrau aus El Salvador. In ihrem Heimatland war sie als Kosmetikerin tätig und engagierte sich für die Menschenrechte. Aufgrund ihrer Geschlechtsidentität als Transfrau wurde sie von Mitgliedern einer transnationalen Gang angegriffen und sexuell genötigt, weshalb sie schließlich in die USA floh. Von 2013 bis 2016 wurde sie wiederholt von Gangmitgliedern tätlich angegriffen und trug Narben auf der Kopfhaut, im Gesicht und an den Beinen davon. Alejandra wird derzeit in einer Hafteinrichtung in Cibola im US-Bundesstaat New Mexico festgehalten. Im April 2018 fand dort eine Anhörung vor dem Einwanderungsgericht statt, um ihren Asylantrag zu prüfen. Alejandra hat einen Antrag auf Bewährung gestellt, der jedoch von der Einwanderungs- und Zollbehörde (Immigration and Customs Enforcement – ICE) abgelehnt wurde, ohne dass ihrem Rechtsbeistand konkrete Gründe dafür genannt wurden und obwohl keine Fluchtgefahr besteht, da die Nichte von Alejandra, bei der sie im Fall eines erfolgreichen Antrags unterkommen würde, bereits Asyl erhalten hat.

Am 8. Mai sprach Amnesty International mit Alejandra. In diesem Gespräch beklagte sie sich über die unzureichende Gesundheitsfürsorge, die sie und andere Transfrauen in der Hafteinrichtung erhalten. So würden ihre Anträge auf medizinische Untersuchungen und Palliativpflege nur sehr langsam behandelt. Am 8. Juni informierte Alejandra ihren Rechtsbeistand darüber, dass sie in den vorangegangenen elf Tagen unter starken Kopfschmerzen sowie Erbrechen und Nasenbluten gelitten habe. Obwohl sie in dieser Zeit sechsmal um ärztliche Behandlung gebeten hatte, wurde sie kein einziges Mal auf der Krankenstation behandelt. Am 25. Mai starb eine asylsuchende Transfrau namens Roxana Hernandez nur eine Woche nach ihrer Inhaftierung in Cibola in einem Krankenhaus in der Nähe des Gefängnisses. Sie hatte Anzeichen von Lungenentzündung und Flüssigkeitsmangel aufgewiesen; Symptome, die offenbar während ihrer Inhaftierung durch die Einwanderungsbehörden aufgetreten waren. Alejandra befürchtet, dass sie im Gewahrsam möglicherweise ein ähnliches Schicksal erleidet.

Die Einwanderungsbehörden sollten Personen stets nur als letztes Mittel und nach sorgfältiger Prüfung des jeweiligen Einzelfalls inhaftieren. Eine Freilassung unter Auflagen sollte immer dann aus humanitären Gründen gewährt werden, wenn die Person keine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellt und wenn keine Fluchtgefahr besteht.

Hintergrund

Im Mai 2018 sprach Amnesty International mit zwölf Transfrauen, von denen drei Frauen gegenwärtig und neun Frauen in der Vergangenheit in der Hafteinrichtung in Cibola inhaftiert waren. Sechs von ihnen beklagten sich über unangemessene medizinische Versorgung in der Hafteinrichtung. Zu den größten Problemen zählten ihren Angaben zufolge Verzögerungen in der Bereitstellung von HIV-Medikamenten für Neuankömmlinge sowie die zeitliche Koordinierung der Verabreichung von Hormonen, antiretroviralen Medikamenten und anderer Medikation. Viele Frauen erklärten zudem, dass das Gesundheitspersonal gewohnheitsmäßig lange bräuchte, um auf Anträge auf Untersuchungen oder Behandlungen zu reagieren. In einigen Fällen mussten die Betroffenen drei Tage bzw. zwei Wochen lang auf eine Antwort des medizinischen Personals warten, und in anderen Fällen erhielten sie gar keine Antwort. Asylsuchende, die in Cibola inhaftiert sind, werden so gut wie nie gegen Auflagen freigelassen, während über ihren Asylantrag entschieden wird – selbst dann nicht, wenn es sich um Transfrauen handelt, die unter akuten Beschwerden leiden.

Die Inhaftierung von Asylsuchenden sollte immer nur als letztes Mittel angewandt werden, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft und im Einzelfall als nicht angemessen beurteilt wurden. Völkerrechtlich gesehen gilt es als willkürliche Inhaftierung, wenn Asylsuchende und andere Migrant_innen lediglich auf der Grundlage ihres Migrationsstatus inhaftiert werden. Laut Angaben des UN-Sonderberichterstatters über Folter kann diese Art willkürlicher Inhaftierung von Asylsuchenden „sehr schnell, wenn nicht gar sofort“ als Misshandlung betrachtet werden, wenn es sich bei den Betroffenen um Personen handelt, die besonders schutzbedürftig sind. Hierzu zählen insbesondere Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Erkrankungen und gesellschaftliche Minderheiten wie z. B. LGBTI.

Gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Antifolterkonvention und dem Völkergewohnheitsrecht ist die US-Regierung nach dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (non-refoulement) verpflichtet, Menschen nicht in eine Situation zurückzuschicken, in der ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Solche Schutzmechanismen sind zwingend notwendig für Menschen, die vor Gewalt und Verfolgung fliehen.

Gemäß dem Völkerrecht ist die US-Regierung verpflichtet zu gewährleisten, dass die Menschenrechte von Migrant_innen und Asylsuchenden gewahrt, geschützt und respektiert werden. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte schreibt ausdrücklich das Recht auf Freiheit von willkürlicher Inhaftierung fest. Gewahrsam sollte stets nur als letztes Mittel angewendet werden. Er muss in jedem einzelnen Fall begründet werden und einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Eine Inhaftierung ist nur dann angemessen, wenn die Behörden im Einzelfall nachweisen können, dass der Gewahrsam notwendig, verhältnismäßig und rechtmäßig ist, und dass etwaige Alternativen wie z. B. die Hinterlegung einer Kaution oder andere Auflagen nicht zum gewünschten Ergebnis führen würden. Im Juli 2017 kam die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen bei einem Besuch in den USA zu dem Schluss, „dass die obligatorische Inhaftierung von Migrant_innen, insbesondere Asylsuchende, gegen internationale Menschenrechts- und Flüchtlingsstandards verstößt. [...] Die Arbeitsgruppe hat beobachten können, dass das derzeitige System der Inhaftierung von Migrant_innen und Asylsuchenden in vielen Fällen der Bestrafung dient, unbegründet lange währt, unnötig ist und über Gebühr kostspielig ist, wo es eigentlich andere Lösungen gibt. [Die Inhaftierung] wird nicht aufgrund einer individuellen Prüfung über Notwendigkeit und Angemessenheit verhängt, findet unter unwürdigen Bedingungen statt und führt zur Abschreckung von gerechtfertigten Asylanträgen“.

Nach US-amerikanischem Recht werden alle Personen, die an der Grenze aufgegriffen werden, pauschal bis zur Abschiebung inhaftiert. US-amerikanisches Recht sieht vor, dass diese Personen, wenn keine Sicherheitsbedenken oder Fluchtgefahr vorliegen, im Einzelfall gegen Auflagen aus „dringenden humanitären Gründen“ oder wegen „beträchtlichem Vorteil für die Allgemeinheit“ freigelassen werden können. Lokale Büroleiter_innen der Einwanderungsbehörde haben die Befugnis, Personen im Einzelfall aus diesen Gründen gegen Auflagen freizulassen. Dazu zählen Menschen, bei denen es nicht im öffentlichen Interesse ist, dass sie inhaftiert bleiben. Ebenso sind die Büroleitungen befugt, Menschen in medizinischen Notfällen freizulassen. Bei beiden Maßnahmen wird entschieden, wer gegen Kaution, unter Beobachtung, gegen regelmäßiges Erscheinen oder einer anderen Auflage freigelassen wird.

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