Meldungen | Deutschland : LGBT – OLYMPIADE VON MERSI

Stöckelschuh-Slalom, Wattebausch-Weitwurf und Nägelkloppen

“Auf die Plätze, fertig, los!“ … Der Olympionike bei der LGBT-Menschenrechts(verletzer)-Olympiade beim jährlich stattfindenden lesbischwulen “Parkfest Friedrichshain“ in Berlin meisterte unter den strengen Augen der Wettkampfrichter der Berliner MERSI-Gruppe mit erstaunlicher Behändigkeit den Stöckelschuh-Slalom in neuer Weltrekordzeit von 3,43 Sekunden. Kein Wunder, hatte er auch “nur“ Schwierigkeitsstufe A unter den möglichen Kategorien A, B und C gezogen, was hieß, den Slalomparcours lediglich mit Handschellen hinter sich zu bringen. Die bekamen jene LGBT-OlympiateilnehmerInnen angelegt, welche aus den Staaten, die zum Wettkampf antraten, eines jener sieben A-Länder zogen, in denen Homosexualität “nur“ mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft wird.

Wer hingegen durch die Ziehung für ein Land B antrat, welches Homosexualität mit bis zu lebenslänglichen Gefängnisstrafen sanktioniert, musste die Disziplinen mit Hand- und Fußfesseln meistern. Am schlimmsten traf es aber jene, die einen C-Staat wie z. B. die Vereinigten Arabischen Emirate erwischten, in dem LGBT-BürgerInnen die Todesstrafe droht: Der/die LGBT-OlympionikIn hatte als Handikap zu den Hand- und Fußfesseln noch mit verbundenen Augen zu kämpfen – was zwar beim Wattebausch-Weitwurf, der zweiten Sportart, bis auf leichte Orientierungsschwierigkeiten kompensierbar, beim Nägelkloppen, der dritten Disziplin, allerdings besonders hinderlich war.

Die Berliner MERSI-Gruppe machte mit dieser Aktion auf die in fast 80 Ländern anhaltende strafgesetzlich verankerte Bestrafung einvernehmlicher sexueller Handlungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen und transidentischen Menschen und deren gesellschaftlicher Diskriminierung bis hin zu staatlich organisierter Verfolgung und Ermordung aufmerksam. Die in der Aktion implizierte Auseinandersetzung mit willkürlicher Beschneidung von Würde, Selbstbestimmung und Freiheit in diesen Staaten sollte über den üblichen Rahmen hinaus Anstoß zum Nachdenken geben, was von den TeilnehmerInnen und umstehenden BeobachterInnen zum Großteil auch bestätigt wurde. Nach anfänglichen Hemmungen, sich auf die LGBT-Olympiade einzulassen, machten doch schließlich viele BesucherInnen des Parkfestes mit und diskutierten im Nachhinein auch oft noch mit den InitiatorInnen oder untereinander weiter. Die Aktion wurde auch anderen LGBT-Gruppen von Amnesty International online zur Verfügung gestellt. Die SpielentwicklerInnen entwarfen die Olympiade so, dass sie auch zu anderen Sportfesten verwendet werden kann wie z. B. zur Leichtathletik-WM, zur anstehenden Winterolympiade, zu Fußball-WMs und zu kleineren Straßen- und Vereinsfesten.

Stefan Landvogt