Ziel dieser auf der Grundlage von Artikel 13 des EG-Vertrages erlassenen Richtlinie ist die Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf. Die European Parliament Intergroup on Gay and Lesbian Rights [ http://www.gayandlesbianrightsintergroup. org/ ] organisierte am 11. November 2003 in Brüssel ein Hearing zu aktuellen Fragen der Umsetzung dieser Richtlinie.
RechtsexpertInnen sowie Vertreter- Innen der Regierungen der alten und neuen Mitgliedstaaten, Gewerkschaften und NGOs resümierten zusammen mit der engagierten EU-Kommissarin für Beschäftigung und Soziales, Anna Diamantopoulou, den Stand und die Entwicklung der Rechte von LGBTs in Europa und gelangten dabei zu ernüchternden Ergebnissen. Die EU-Richtlinie 2000/78, deren Geltungsbereich sich auf den Zugang zu und die Durchführung von Erwerbstätigkeit erstreckt, soll eine konkrete Verbesserung der Lebensqualität von Lesben und Schwulen in Europa bewirken und hierfür geeignete rechtliche Instrumente zur Verfügung stellen.
Jedoch blieben die Aktivitäten der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht weit hinter den Anforderungen zurück. Ein Großteil der Staaten hat praktisch keine nennenswerten Maßnahmen zur Absicherung der Rechte von Lesben und Schwulen in Beschäftigung und Beruf getroffen. Hierzu gehören leider auch Deutschland, Italien und Spanien. Mit gutem Beispiel voran gehen Länder wie Belgien und Schweden, die den Umsetzungsprozess längst abgeschlossen haben. Über den Regelungsbereich der Richtlinie hinaus soll hier auch eine Gleichstellung im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Leben verwirklicht werden.
Obwohl die Richtlinie das Verbot jeglicher Art von Benachteiligung bezweckt, sind in ihr viele Ausnahmetatbestände und unbestimmte Formulierungen enthalten, welche die praktische Durchsetzung erheblich erschweren. So bleiben nach den Begründungserwägungen "(...) die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt." [Begründungserwägung 22 der Richtlinie 2000/78/EG]
Führt dies in Deutschland etwa dazu, dass eingetragene Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe weiterhin bei der Hinterbliebenenversorgung (Witwengeld, gesetzliche Rentenversicherung) benachteiligt werden dürfen? (Nein: Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2003 - S 27 RA 99/02, nicht rechtskräftig!) Wie verhält es sich dann mit den familienstandsabhängigen Zuschlägen bei Beamten und Angestellten (Familienzuschlag bzw. Ortszuschlag) Solche Fragen können wohl erst durch Musterprozesse abschließend geklärt werden.
Zudem bestehen mehrere Ausnahmeregelungen für religiöse Organisationen, die von ihren MitarbeiterInnen verlangen dürfen, "(...) dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten." [Artikel 4, Absatz 2 der Richtlinie 2000/78/EG] Demzufolge sind weitere Konflikte zwischen religiösen Organisationen, insbesondere katholischen Einrichtungen, und deren homosexuellen MitarbeiterInnen absehbar.
Diese zum Teil ungeklärten Rechtsfragen werden die säumigen nationalen Gesetzgeber nicht gerade motivieren, die ausstehenden Umsetzungsakte anzugehen. Lesben und Schwule haben aber seit dem 3. Dezember 2003 die Möglichkeit, die in der Richtlinie verbrieften Rechte einzuklagen und die Richtlinie auf diese Weise quasi durch die Hintertür zum Leben zu erwecken.
Silvio Buchheim, Köln