China: © Courtesy of the University of Texas Libraries
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Aktionen | China : China - Drohende Folter und Misshandlung / Gesundheitszustand

Cheng Fudong, Kong Wanli und mindestens vier weitere Personen

Mindestens sechs HIV-Infizierte bzw. AIDS-Kranke, darunter die beiden oben genannten Männer, sind Berichten zufolge in der Binnenprovinz Henan festgenommen worden, nachdem sie sich an die lokalen Behörden um Hilfe gewandt hatten. Sie sind möglicherweise in Gefahr, misshandelt oder gefoltert zu werden, sodass Anlass zur Sorge um ihre Sicherheit besteht.

Laut einer Meldung der französischen Nachrichtenagentur „Agence France Press“ (AFP) sind die sechs Personen am 27. April 2004 in Haft genommen worden und befinden sich derzeit im Gefängnis des Kreises Shangcai in der Provinz Henan. Fünf von ihnen, darunter Cheng Fudong, hat man festgenommen, nachdem sie von ihrem Heimatdorf Wenlou im Kreis Shangcai in die Provinzhauptstadt Zhengzhou gereist waren, um die Regierung um Unterstützung bei der Reparatur ihrer Häuser zu bitten. Cheng Fudongs Ehefrau, Zhang Qiao, sagte gegenüber AFP: „Unser Haus ist in schlechtem Zustand. Der Regen kommt durchs Dach rein. Die Regierung hat einige der Häuser im Dorf repariert, sich um andere aber nicht gekümmert”.

Die Gründe für die Inhaftierung von Kong Wanli sind unklar. Seine Ehefrau, Wei Hong, teilte AFP gegenüber mit, dass er zu „den Bauern gehört, die sich am freimütigsten geäußert und die Regierung um Hilfe gebeten haben“. Laut der AFP-Meldung hatten viele Bewohner der Region gehofft, dass der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao das Dorf besuchen würde, was offenbar für den 1. Mai 2004 geplant gewesen sein soll. Es wird angenommen, dass mit den Festnahmen mögliche Proteste der Männer bei einem etwaigen Besuch des Regierungschefs verhindert werden sollten. Ein Polizeibeamter des Kreisgefängnisses von Shangcai namens Yuan Xinmin wird von AFP mit den Worten zitiert, dass die Männer wegen der „Störung von Regierungsorganisationen und der Arbeit in Regierungsbüros“ für vier bis fünf Tag in Haft genommen worden seien.

Im Juni vergangenen Jahres waren mindestens 18 HIV-infizierte bzw. AIDS-kranke Personen im Zusammenhang mit Protesten und Unruhen in Xiongqiao, einem anderen Dorf des Kreises Shangcai, festgenommen worden (siehe UA 210/03 vom 11. Juli 2003). Die Proteste bezogen sich auf den fehlenden Zugang der Betroffenen zu medizinischer Versorgung. Fünf von ihnen sollen in Polizeigewahrsam geschlagen worden sein. Zwei ließ man später wieder frei, während der Verbleib der drei anderen ungeklärt ist. Dreizehn andere Personen kamen bei einer Polizeirazzia auf das Dorf in Haft, bei der die Polizisten mit Metallstangen und Elektroschlagstöcken gegen die Dorfbewohner vorgingen. Dabei wurden mindestens zwölf Personen verletzt. Von den Inhaftierten ließ man einen Teil wieder auf freien Fuß, aber gegen etwa sieben Personen ist Berichten zufolge Anklage erhoben worden. Ihr Verbleib und ihr Schicksal sind bis heute ungeklärt.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Mitte der 1980er Jahren ist die Zahl der HIV-Infektionen in der VR China rasant angestiegen, was nicht nur eine Bedrohung für das Leben der Betroffenen sondern auch für die Lebensgrundlage vieler ihrer Familienangehörigen darstellt. Nach Schätzungen des Hilfsprogramms der Vereinten Nationen für die Opfer von HIV und AIDS (UNAIDS) waren Ende 2001 bis zu 1,5 Millionen Chinesen mit HIV infiziert. Laut UNAIDS ist zu befürchten, dass bei ausbleibenden wirksamen Gegenmaßnahmen die Zahl auf zehn Millionen ansteigen könnte.

Bei der Berichterstattung über HIV und AIDS in den offiziellen chinesischen Medien liegt der Schwerpunkt auf der Ansteckung durch verunreinigte Spritzen von Drogenabhängigen und ungeschütztem Geschlechtsverkehr, die als Hauptverbreitungsursache genannt werden. Dabei wird oftmals verschwiegen, dass Blutabnahmestellen, die ohne die notwendigen Hygiene- und Sicherheitsstandards betrieben wurden, Ende der 1980er und während der 1990er Jahre für eine hohe Infektionsrate in vielen Landesteilen verantwortlich waren, darunter auch mehrere Dörfer in der Provinz Henan und anderen Provinzen Zentralchinas. Viele dieser Blutsammelstellen wurden von den örtlichen Gesundheitsämtern betrieben, aber es gab darunter auch illegale Blutbanken, sogenannte Blutköpfe (xuetou). Sie wurden vielerorts aus Profitgründen aufgrund der hohen Nachfrage nach Blutplasma gegründet, ohne dass die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bei der Blutabnahme eingehalten wurden, was zu der hohen Infektionsrate durch nicht sterilisierte Instrumente geführt hat. Inoffiziellen Berechnungen zufolge sind dadurch allein in Henan 150.000 bis zu über eine Million Menschen mit HIV angesteckt worden.

In den vergangenen Monaten waren gewisse Anzeichen für eine größere Bereitschaft der politischen Führung zu beobachten, sich des HIV/AIDS-Problems in China anzunehmen. So wurden neue Maßnahmen verkündet, darunter die Bereitstellung anti-retroviraler Medikamente für mittellose Patienten und kostenlose HIV-Tests. Es bleibt aber abzuwarten, in welchem Umfang diese Maßnahmen umgesetzt werden. Die offiziell verlautbarten Statistiken über die Verbreitung der Krankheit liegen immer noch weit unter den geschätzten tatsächlichen Zahlen, und die Diskriminierung gegen HIV-Infizierte und AIDS-Kranke hält an.

EMPFOHLENE AKTIONEN: 

Schreiben Sie bitte Telefaxe, E-Mails oder Luftpostbriefe, in denen Sie

  • die Behörden auffordern, die Namen aller am 27. April 2004 zusammen mit Chen Fudong und Kong Wanli während der Polizeirazzia inhaftierten Personen bekanntzugeben und ihre Sicherheit zu gewährleisten;
  • Ihre Befürchtung äußern, dass diese Personen offenbar allein wegen ihrer friedlichen Proteste inhaftiert wurden, und ihre sofortige Freilassung fordern, sofern sie nicht wegen einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt werden;
  • die Behörden auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass sie in der Haft Zugang zu ihren Familienangehörigen, Rechtsanwälten ihrer Wahl und jeglicher erforderlichen medizinischen Versorgung erhalten;
  • fordern, dass die Behörden das volle Ausmaß der HIV-Infektionen an staatlich autorisierten Blutsammelstellen in Henan und anderen Provinzen untersuchen und die Ergebnisse anschließend veröffentlichen.

APPELLE AN:

Guo Junfeng Tingzhang, Sifating, 8 Jingsilu, Zhengzhoushi 450003, Henansheng, VOLKSREPUBLIK CHINA (Direktor des Amtes für Justizangelegenheiten der Provinz Henan, Herr Guo, korrekte englische Anrede: Dear Director)
Telefax: (00 86) 371 590 6385

Wen Jiabao, Guowuyuan, 9 Xihuangchenggenbeijie, Beijingshi 100032, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Ministerpräsident, Herr Wen - korrekte englische Anrede: Your Excellency)
Telefax: (00 86) 10-6596 3374 (über das Außenministerium: "Please forward to...")

Wu Yi Buzhang, Weishengbu, 1 Xizhimenwai, Xicheng Qu, Beijingshi 100044, VOLKSREPUBLIK CHINA (Gesundheitsministerin, Frau Wu - korrekte englische Anrede: Dear Minister)
E-Mail: manage@chsi.moh.gov.cn

KOPIEN AN:

Xinhua (staatliche Nachrichtenagentur)
E-Mail: english_mail@xinhuanet.com
Telefax: (00 86) 10-6307 1210

Kanzlei der Botschaft der Volksrepublik China, Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Ma Canrong)
Telefax: 030-2758 8221
E-Mail: chinesischebotschaft@debitel.net

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 10. Juni 2004 keine Appelle mehr zu verschicken.

UA-161/2004
Index: ASA 17/018/2004