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Bild: © Courtesy of the University of Texas Libraries

Meldungen | Südafrika : Verzögerte Gleichheit heißt negierte Gleichheit

In einer wahrscheinlich bahnbrechenden Entscheidung hat das Verfassungsgericht Südafrikas ein Urteil über Gesetze gefällt, die gleichgeschlechtliche Handlungen kriminalisieren.

Zackie Achmat von der Südafrikanischen National Coalition for Gay and Lesbian Equality.(NCGLE) hat hierzu den folgenden Kommentar geschrieben. Am 9. Oktober 1998 erklärte das Verfassungsgericht von Südafrika, dass Gesetze, die den Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern bestrafen, verfassungswidrig sind, da sie "die Würde, Persönlichkeit und Identität" von Lesben und Schwulen zutiefst verletzen. Die Regelung basiert auf einem unangefochtenen Fall, der durch die NCGLE und die Südafrikanische Menschenrechtskommission eingeleitet wurde.

Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgender Menschen sowie unsere heterosexuellen Freunde werden diese Entscheidung des Verfassungsgerichts mit uns feiern, da sie die Anerkennung der Verschiedenartigkeit der Gesellschaft und die Gleichheit für alle bestätigt. Aber es ist schon ernüchternd zu registrieren, daß das Strafgesetzbuch unsere Liebe mehr als 300 Jahre lang bestraft hat. Wir können nur wiederholen, was das Verfassungsgericht gesagt hat:

"Verzögerte Gleichheit heißt negierte Gleichheit". Richter L. Akkermann stellte fest, dass die Bestrafung von Sodomie nach Absatz 20A des Gesetzes für sexuelle Straftaten, Liste 1 des Gesetzes für Strafverfahren sowie den Regeln im Sicherheitsbeamtengesetz, verfassungswidrig ist. Nach dieser Entscheidung hat jede Person, die im Zusammenhang mit den als verfassungswidrig einstuften Gesetzen nach denen er/sie einvernehmliche, gleichgeschlechtliche Handlungen begangen hat beschuldigt, verurteilt, oder sonstige Verluste erlitten hat, das Recht, sich an das Verfassungsgericht mit der Bitte um Hilfe zu wenden.

Die NCGLE wird jedem dabei helfen. Das Gericht stellte fest, daß die Gesetze, die gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und erotische Betätigungen kriminalisieren, unabhängig voneinander das Recht auf Gleichheit, Würde und Privatheit verletzen.

Richter Ackermann sagte, daß diese Gesetze die Selbstachtung untergraben, psychologische Schäden verursachen und Gewalt und Erpressung gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgender Menschen legitimiert haben. Zusätzlich stellte das Gericht fest, daß "der Schaden sich auf die Gesellschaft im allgemeinen auswirkt und eine Reihe von verschiedenen anderen Diskriminierungen begünstigt, die, kollektiv gesehen, eine faire Verteilung der sozialen Produkte und Dienste und die Gewährung von sozialen Möglichkeiten verhindern".

Mit seiner Entscheidung, daß die Gesetze das Grundrecht auf Menschenwürde verletzen, stellte das Gericht fest, daß es "zumindest deutlich wird, daß es der verfassungsrechtliche Schutz von Würde verlangt, die Werte und Würde von allen Einzelnen als Mitglieder unserer Gesellschaft anzuerkennen."

Das Gericht legte fest, daß der "symbolische Effekt (des Gesetzes) die Aussage beinhaltet, daß in den Augen unseres Rechtssystems alle schwulen Männer Kriminelle sind."

Die sich daraus ergebende Stigmatisierung eines bedeutenden Teils unserer Gesellschaft ist eindeutig. Aber der durch das Strafgesetzbuch zugefügte Schaden ist weit größer als nur symbolischer Art. Als ein Resultat des (kriminellen) Straftatbestandes riskieren schwule Männer ihre Festnahme, Anklage und Verurteilung wegen der Straftat Sodomie einfach nur deshalb, weil sie versuchen, eine sexuelle Handlung zu begehen, die Teil ihrer Erfahrung als Mensch ist.

Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß die Existenz eines Gesetzes, das eine Form der sexuellen Äußerung für schwule Männer bestraft, diese in unserer Gesellschaft degradiert und entwertet. Als solche ist es ein klarer Eingriff in ihre Würde und eine Verletzung von Absatz 10 der Verfassung.

Artikel 14 der Verfassung legt fest, daß "jeder das Recht auf Privatheit hat". Das Verfassungsgericht hat deutlich gemacht, daß der Schutz der Persönlichkeitsrechte von Lesben und Schwulen kein Versuch ist, uns zurückzudrängen in unsere Schlafzimmer oder ins "closet". Persönliche Freiheit und Intimität sind viel mehr die Ecksteine des Schutzes der Persönlichkeitsrechte.