Im Falle einer Anklage droht Géza Buzás-Hábel eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr. Amnesty International fordert die Generalstaatsanwaltschaft auf, die strafrechtlichen Ermittlungen unverzüglich einzustellen, da sie eine unangemessene Einschränkung der Rechte auf friedliche Versammlung, freie Meinungsäußerung und Nichtdiskriminierung unter europäischen und internationalen Menschenrechtsnormen darstellen. Dieser Fall steht für eine beunruhigende Verschärfung der Kriminalisierung der freien Meinungsäußerung und friedlichen Versammlung von LGBTI+ in Ungarn.
Sachlage
Die andauernden strafrechtlichen Ermittlungen gegen Géza Buzás-Hábel im Zusammenhang mit der Organisation der Pécs-Pride-Parade am 4. Oktober 2025 geben großen Anlass zur Sorge. Öffentlichen Informationen zufolge wurde Géza Buzás-Hábel am 28. Oktober von der Polizei wegen der "Organisation einer verbotenen Versammlung" als "Tatverdächtiger in einem polizeilichen Ermittlungsverfahren" vernommen. Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen wurde der Fall an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet, damit über die nächsten Schritte entschieden werden kann.
Die Entscheidung der Polizei, die Pride-Parade in Pécs im September 2025 zur "verbotenen Versammlung" zu erklären, war willkürlich und diskriminierend und beruhte ausschließlich auf dem im April 2025 in Kraft getretenen "Anti-Pride-Gesetz". Dieses Verbot und die Gesetzgebung selbst wurden von regionalen und internationalen Organisationen als rückschrittlich, diskriminierend und als Verstoß gegen Menschenrechtsstandards kritisiert. Die Organisation einer friedlichen Versammlung wie der Pécs Pride, die sich für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Gedenken einsetzt, wird durch die Rechte auf friedliche Versammlung, freie Meinungsäußerung und Nichtdiskriminierung geschützt. Diese sind in regionalen und internationalen Menschenrechtsstandards verankert, an die Ungarn gebunden ist.
Das Vorgehen gegen Géza Buzás-Hábel wird von der internationalen Gemeinschaft aufmerksam verfolgt. Es stellt eine alarmierende Verschärfung der Kriminalisierung von Meinungsäußerungen und friedlichen Versammlungen von LGBTI+ in Ungarn dar.
Die Organisation einer Pride-Parade ist ein Ausdruck von Mut, Solidarität und Hoffnung. Das Recht auf friedliche Versammlung muss geschützt werden.
Hintergrundinformation
Géza Buzás-Hábel ist Roma und schwul. Er arbeitet als Lehrer und Menschenrechtsverteidiger und stammt aus Pécs. Géza Buzás-Hábel unterrichtet die Sprache und Kultur der Rom*nja, bildet zukünftige Pädagog*innen aus und organisiert seit langem die Pécs Pride, die einzige Pride-Veranstaltung des Landes außerhalb von Budapest. Er sorgt dafür, dass sie inklusiv, friedlich und gemeinschaftsorientiert bleibt.
Am 4. September 2025 meldete Géza Buzás-Hábel bei der örtlichen Polizei die für den 4. Oktober 2025 geplante fünfte Ausgabe der Pécs Pride an. Die Polizeibehörde von Pécs erließ daraufhin am 5. September umgehend ein präventives Verbot. Die Begründung lautete, dass die Versammlung, bei der es darum ging, die gleichgeschlechtliche Ehe und die Änderung des amtlichen Geschlechts von Transgender-Personen zu unterstützen sowie der während des Holocaust verfolgten und ermordeten LGBTI+ zu gedenken, Kinder verbotenen Inhalten aussetzen würde. Géza Buzás-Hábel legte ein Rechtsmittel gegen das Verbot ein, das jedoch vom Obersten Gerichtshof Ungarns, der Kúria, abgelehnt wurde. Trotz des Verbots fand der Pécs Pride am 4. Oktober ohne Eingreifen der Polizei statt.
Am 10. Oktober erhielt Géza Buzás-Hábel eine offizielle Vorladung der Polizei, in der es hieß, gegen ihn läge der "begründete Verdacht vor, eine Straftat begangen zu haben". Laut Medienberichten vom 6. November soll die Polizei empfohlen haben, Anklage gegen ihn zu erheben. Nach ungarischem Recht hat die Staatsanwaltschaft ein Jahr Zeit, um zu entscheiden, ob sie das Verfahren aussetzt, einstellt oder Anklage erhebt. Diese Frist kann nach Ablauf des Jahres um ein halbes Jahr verlängert werden.
Am 13. November wandte sich Amnesty International Ungarn an die Staatsanwaltschaft, die am 14. November bestätigte, die Ermittlungsakte von der Polizei erhalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft gab keine Auskunft darüber, ob sie Anklage erheben werde, bestätigte jedoch, dass die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen seien und die Akte nun von der Staatsanwaltschaft geprüft werde, um über die nächsten Verfahrensschritte zu entscheiden.
2025 verschärfte Ungarn die bereits seit einem Jahrzehnt bestehende Unterdrückung der Rechte von LGBTI+. Das Gesetz III von 2025, das als "Anti-Pride-Gesetz" bekannt ist und auf dem LGBTI+-feindlichen "Propagandagesetz" von 2021 beruht, wurde im März im Eilverfahren vom Parlament verabschiedet und trat im April in Kraft. Das neue Gesetz verbietet Versammlungen, die als Verstoß gegen das "Propagandagesetz" von 2021 gelten. Letzteres stellt die Sichtbarkeit von LGBTI+ fälschlicherweise als "schädlich" für Kinder dar und verbietet die "Darstellung und Förderung" von Sexualität und Gender-Diversität gegenüber Personen unter 18 Jahren. Außerdem erlaubt es den Behörden, Gesichtserkennung zur Identifizierung von Teilnehmenden einzusetzen und alle, die an solchen verbotenen Versammlungen teilnehmen, mit einer Geldstrafe von bis zu 200.000 Forint (etwa 500 Euro) zu belegen. Die Organisator*innen einer verbotenen Versammlung riskieren die strafrechtliche Verfolgung mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Das Gesetz wurde von Behörden genutzt, um sowohl die Budapest Pride als auch die Pécs Pride präventiv zu verbieten. Die Zivilgesellschaft leistete jedoch Widerstand: Die Budapest Pride im Juni zog über 300.000 Teilnehmende an, die Pécs Pride im Oktober etwa 5.000.
Ungarn ist an die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die EU-Grundrechtecharta gebunden. Diese Instrumente verpflichten die Behörden, das Recht auf friedliche Versammlung, darunter auch Versammlungen zur Förderung der Rechte von Minderheiten, zu wahren, diskriminierende Verbote zu vermeiden und Beschränkungen nur dann zu verhängen, wenn diese unbedingt notwendig und verhältnismäßig sind. Die Behörden müssen friedliche Versammlungen aktiv unterstützen, die Teilnehmenden vor Gewalt schützen und bei Rechtsverletzungen Abhilfe schaffen. Ein Verbot von Pride-Paraden und die Kriminalisierung der Organisierenden ist mit diesen Standards nicht vereinbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt festgestellt, dass Versammlungen zur Förderung der Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten unter den Schutz von Artikel 11 der EMRK fallen und dass Beschränkungen, die ausschließlich auf moralischer Ablehnung beruhen, gegen die Artikel 11 und 14 der EMRK verstoßen. Die Kriminalisierung der Organisator*innen geht über das Notwendige hinaus und verstößt gegen jegliches Gebot der Verhältnismäßigkeit.
