AMNESTY INTERNATIONAL
„Dies war in der Tat eine historische verpasste Gelegenheit für den Obersten Gerichtshof Indiens, eine neue Ära in einem langen Kampf für die Gleichberechtigung von LGBTI-Menschen einzuläuten. Alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, sollten in den Genuss aller Menschenrechte kommen, einschließlich des Rechts auf Heirat.
Gleichzeitig ist das Urteil über die Beendigung jeglicher Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare und die Ausweitung ihrer Rechte ein positiver Schritt, der eine klare Botschaft an die indische Regierung sendet, dass die Gesetze zur gleichgeschlechtlichen Ehe dringend reformbedürftig sind. Das heutige Urteil muss für die Regierung Anlass sein, eine gründliche Überprüfung und Überarbeitung aller Gesetze, Maßnahmen und Praktiken einzuleiten, die eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität oder des Intersex-Status darstellen.
Es ist zwingend erforderlich, dass die Regierung die Umsetzung durch den vom Obersten Gerichtshof vorgeschlagenen und vom Generalstaatsanwalt akzeptierten Ausschuss nicht verzögert und Möglichkeiten für eine sinnvolle öffentliche Debatte zu diesem wichtigen Thema gewährleistet.
Das Recht auf eine Familie ist ein Menschenrecht und muss ohne Diskriminierung für alle geschützt werden.“
Hintergrund:
Im Jahr 2018 hatte der Oberste Gerichtshof Indiens in einem Grundsatzurteil einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen entkriminalisiert.
Im November 2022 stimmte der Oberste Gerichtshof zu, den Fall Supriyo gegen den Staat Indien zu verhandeln, in welchem es um die Verweigerung der Regierung geht, gleichgeschlechtliche Ehen nach dem Special Marriage Act anzuerkennen.
Im April 2023 begann ein fünfköpfiges Gericht unter der Leitung des Obersten Richters von Indien mit der Anhörung der Petitionen.
Im Mai 2023 teilte der indische Generalstaatsanwalt dem Obersten Gerichtshof mit, dass ein parlamentarischer Ausschuss gebildet werden soll, um die Gewährung begrenzter gesetzlicher Rechte für gleichgeschlechtliche Partner zu prüfen.
Am 17. Oktober 2023 erklärte der Oberste Gerichtshof, dass die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare zwar beendet werden müsse, dass es aber nun Sache des indischen Parlaments sei, über die Rechtmäßigkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe im Land zu entscheiden.